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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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begegnet bin«, zischte Jenny. »Sie sind anmaßend und unfreundlich. In
Ihrem Kopf spukt nur die Vorstellung von Ihrer eigenen bedeutenden
Persönlichkeit herum. Nein, ich werde nicht nach London gehen, und Gott sei
Dank, denn wenn ich es täte, könnte es mir passieren, dass ich Ihr dummes
Gesicht noch einmal sehen und noch einmal unter Ihren ungehobelten Manieren
leiden müsste.«
    »Wenn Sie ein Mann wären«, sagte der
Herzog und wurde jetzt wirklich sehr ärgerlich, »dann würde ich Sie zum Duell
herausfordern.«
    Jenny stützte das Kinn auf die Hände
und lächelte liebreizend zu ihm auf. »Aber ich bin keiner. Sie sind hier auf
einem ländlichen Ball und müssen das Beste daraus machen.«
    Seine eisblauen Augen glitzerten. Er
erhob sich und ging ein paar Schritte von der Tafel weg. »Komm, Fergus«, sagte
er laut zu seinem Diener, »ich finde das ungezogene Benehmen von Miss Jenny
höchst langweilig.« Und damit verließ er den Raum.
    Jenny saß maßlos betroffen da und
zitterte am ganzen Körper, so beschämend empfand sie den Vorfall.
    »Um Gottes willen!« rief Lord Paul
und sprang auf. »Was ist bloß über Pelham gekommen? Er ist gewöhnlich die
Höflichkeit selbst.«
    »Setzen Sie sich, Mylord«, sagte
Lady Letitia leise. »Eine Szene genügt für heute abend, denke ich.«
    Lord Paul setzte sich langsam wieder
hin. »Ich finde, Sie sollten mir erlauben, ihm zu folgen, Madam«, sagte er,
»und eine Entschuldigung zu verlangen.«
    »Lassen Sie sich damit Zeit,
Mylord«, sagte Lady Letitia ganz ruhig. »Jenny kann einen wirklich wütend
machen, und sie hat schon viel zu lange bei den Herren immer ihren Kopf durchgesetzt.
Schauen Sie nur! Der junge Mr. Partridge hat sich zu ihr gesetzt. Er wird sie
mit Komplimenten überschütten, und sie wird die Auseinandersetzung mit Ihrem
Freund schnell vergessen. Lassen Sie uns über etwas anderes reden! Ich nehme
an, Sie werden das Ende der Saison in London verbringen?«
    Jenny hätte sowohl durch Mr.
Partridges Schmeicheleien als auch durch seine Kritik am Herzog von Pelham
getröstet sein müssen. Hätte er gewusst, schwor Mr. Partridge, dass sich dieser
Herzog als ein solcher Flegel erweisen würde, hätte er niemals sein Zimmer für
ihn aufgegeben. Jenny sei hier auf dem Land mit guten, ehrlichen Leuten viel
besser dran, wo sie nicht den Beleidigungen von Londoner Wüstlingen, die keine
Ahnung hätten, ausgesetzt sei. Aber Jenny war untröstlich. Ihre Schönheit hatte
sie in der Vergangenheit immer vor Tadel und Kritik bewahrt. Plötzlich
bedeutete sie nichts mehr, sie fühlte sich wie ein nacktes, ungehobeltes
Geschöpf — ein geistloser Bauerntrampel, der sich nicht einmal unterhalten
konnte.
    Lady Letitia musterte heimlich das
niedergeschlagene Gesicht ihrer Nichte, während sie sich Lord Pauls Vorschlag
anhörte, Jenny für den Rest der Saison nach London zu bringen.
    »Sie mögen einwenden, Madam«, sagte
Lord Paul, »dass Ihre Nichte besser für das ruhige Landleben geeignet ist und dass
ihr die Schmeicheleien in London den Kopf verdrehen könnten, aber wäre es nicht
besser, sie jetzt dieser Gefahr auszusetzen? Stellen Sie sich einmal vor, sie
heiratet einen abgeklärten Landjunker, der eines Tages beschließt, sie mit in
die Hauptstadt zu nehmen, und feststellen muss, dass sie den Kopf verliert. Was
für eine Ehefrau würde sie dann abgeben?«
    »Sie sind sehr überzeugend, Mylord«,
sagte Lady Letitia lachend. »Ich werde darüber nachdenken.«
    Der Herzog von Pelham schäumte immer
noch vor Wut, als Fergus ihm beim Auskleiden behilflich war. »Euer Gnaden
scheinen sich von diesem frechen Ding fürchterlich aus der Fassung bringen zu
lassen«, wagte der Diener schließlich zu sagen. »Es ist doch sonst nicht Ihre
Art, sich etwas so zu Herzen zu nehmen«, fuhr Fergus fort. »Sie machen sich
doch nichts aus den Damen.«
    »Ich bin kein Weiberfeind«, sagte
der Herzog mit einem gezwungenen Lächeln. »Ich nehme an der Saison teil, weil
ich die Absicht habe, mir eine Frau zu suchen.«
    »Eine Frau! Warum?«
    »Ich brauche Erben«, sagte der
Herzog mürrisch, »und ich kann sie schließlich nicht selber kriegen.«
    »Haben Sie sich das wirklich genau
überlegt, Euer Gnaden?« fragte Fergus vorsichtig. »Sie werden eines von den
Frauenzimmern umwerben und ihr hübsche Komplimente machen müssen.«
    »Quatsch«, meinte der Herzog
zynisch. »Wann musste sich ein reicher englischer Gentleman je besonders um ein
Frauenzimmer bemühen? Ich suche mir einfach eine

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