0600 - Die Fee und die Horror-Reiter
Stille einen belastenden Eindruck, und ich fragte mich, aus welch einem Grunde ich ausgerechnet hier das Land betreten hatte.
Ich erinnerte mich wieder an das Gespräch mit dem Mann in Grau. Er hatte von den Horror-Reitern gesprochen und einer Fee, die Perlhaut hieß und von vier Grauenhaften brutal getötet worden war.
Okay, es gab Perlhaut nicht mehr, dennoch sollte sie für mich so etwas wie eine Anlaufstelle werden. Konnte es sein, daß sich ihr Geist oder was immer es auch war, in der Nähe aufhielt?
Die Natur gab mir keine Antwort. Sie umgab mich still, irgendwie abwartend.
Ich wollte auch nicht länger untätig herumstehen und näherte mich dem kleinen See. Sein grünes Wasser wirkte wie eine blanke Insel in der Ebene oder wie ein Auge, das beobachtete.
Das tat ich auch. Sehr genau suchte ich den Boden ab und stutzte plötzlich, als ich etwas Bestimmtes erkannt hatte, das mir auch aus meiner Welt bekannt war.
Auf dem Boden zeichneten sich Spuren ab. Bestimmte Eindrücke, die dann entstanden, wenn Pferdehufe den Boden aufwühlten und regelrechte Löcher hinterließen.
Hier war also jemand geritten.
Ich brauchte nicht erst groß nachzudenken, um herauszufinden, wem der Boden die Abdrücke zu verdanken hatte. Sehr zahlreich und dicht lagen sie beisammen, und die Horror-Reiter, von denen ich gehört hatte, traten stets zu viert auf.
AEBA hatte diesen Weg genommen, den ich ebenfalls verfolgte.
Ich hatte feststellen müssen, daß sich die Reiter getrennt hatten und um den See herumgeritten waren.
So etwas tat man nur, wenn man etwas Bestimmtes vorhatte, ein Gebiet beobachten und unter Kontrolle halten wollte.
Was war besonderes an dem See?
Ich suchte mir eine günstige Stelle aus, wo ich nahe an das Ufer herantreten konnte, ohne daß mich sperriges Schilf störte. Ein paar Stäbe knickten trotzdem weg, nicht weiter tragisch. Ich mußte hart im Nehmen sein denn auch meine Füße bekamen etwas ab. Sie versanken in der feuchten, weichen, grünbraunen Ufererde. Bevor das Wasser des kleinen Sees meine Fußspitzen berühren konnte, blieb ich stehen.
Ich schaute in den Spiegel.
Es wehte nur wenig Wind, so daß er fast glatt vor mir lag. Auf dem Wasser schwammen zahlreiche Pflanzen, die meisten von ihnen besaßen blattartige Formen.
Dazwischen sah ich Blüten, deren Farbenpracht mir von meiner Welt her unbekannt war. Wahrscheinlich hatten sie früher auch auf der Erde geblüht, doch die brutale Zerstörung der Umwelt hatte sie aussterben lassen.
An manchen Stellen führten Insekten ihre Tänze auf. Eigentlich hätten in der Tiefe des Sees auch Frösche leben müssen. Ich wartete vergeblich auf ihr Erscheinen.
Komischerweise blieb ich am Ufer und ging sogar in die Hocke, denn ich wurde das Gefühl nicht los, daß ich gerade hier etwas ereignen konnte, das später von entscheidender Bedeutung sein würde.
Auf dem Wasserspiegel zeichnete sich meine Gestalt als ein schwacher Umriß ab, der verzerrt wirkte, wenn er in den Bereich der langsam ankräuselnden Wellen geriet.
Die Luft schmeckte zwar nicht faul, aber stark nach Natur, und sie war ungewöhnlich sauber.
Was enthielt der See? Wie tief war er? Konnte sich dort jemand verbergen? War er eine Heimstatt für Wassergeister und andere Wesen, die diesen Teil des Paradieses bevölkerten?
Perlhaut – ich erinnerte mich plötzlich wieder an den Namen der Fee. Sie mußte wunderschön gewesen sein, doch darauf nahmen die Horror-Reiter keine Rücksicht. Sie zerstörten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Dabei befolgten sie einzig und allein die von ihren Götzen vorgegebenen Ideale.
Ich vergaß auch das, was auf der Erde immer so wichtig genommen wurde, die Zeit.
Sie spielte in Aibon kaum eine Rolle. Wer hier lebte, der richtete sich danach bestimmt nicht. Ob ich Minuten oder Stunden am Ufer gesessen hatte, war für mich nicht interessant, ich brauchte einfach einen Anhaltspunkt und ging davon aus, daß ich ihn auch bekommen würde.
Das geschah auch.
Lange dauerte es nicht mehr, bis sich unter der Oberfläche etwas tat. Ob in einer großen Tiefe oder nicht, das konnte ich nicht erkennen, aber an einer bestimmten Stelle sah es so aus, als hätte jemand am Grund des kleinen Sees eine hochkant gestellte Lampe angeknipst, deren Strahl in die Höhe stach.
Es war tatsächlich ein hellerer Schein, begrenzt auf ein bestimmtes Gebiet, der zudem an seinem Ende ein wenig auseinanderfächerte und so aussah, als würden in eine gelbe Farbe grünliche Schlieren
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