0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel
halten. Der Abend war unhörbar gekommen, die Dämmerung hatte den grauen Tag abgelöst.
Es war die Stunde des wahnsinnigen Verkehrs, denn die meisten Londoner befanden sich jetzt auf dem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause. Auch ich wollte nicht mehr länger aufbleiben. Die Couch lockte zu sehr, außerdem lähmte mich die Müdigkeit.
Bevor ich mich niederlegte, zog ich die Schuhe aus. Es war nicht das erste Mal, daß ich eine Nacht auf der Couch verbrachte. Man schlief zwar nicht so gut wie im Bett, aber besser als auf einer dünnen Luftmatratze. Das Blei füllte meine Glieder und drang so weit hoch, bis es die Augen erreichte. Gegen diese Schwere kam ich nicht mehr an. Automatisch fielen sie mir zu. Ich schlief ein.
***
Irgendwo nördlich von London, in Mittelengland, in einer waldreichen und hügeligen Gegend, dort standen die flaming stones .
Geheimnisvolle, uralte Steine, ein Rest des Kontinents Atlantis.
Steine, die auch eine Verbindung besaßen zu der aus grauer Vorzeit stammenden Kultstätte Stonehenge.
Steine, die angefüllt waren mit einer permanenten Magie, die blieb, nicht sichtbar war, aber durch ihre beiden Hüter, Kara und Myxin aktiviert werden konnte.
Ein magisches Zentrum, in dem viele Fäden zusammenliefen und das große Angriffe überstanden hatte. Die Steine konnten eine Verbindung nach Atlantis schlagen, auch nach Aibon, aber die Gefahr, die sich über John Sinclair zusammenbraute, war weder in dem einen noch in dem anderen Reich entstanden.
Sie kam von einem anderen Land, einer Insel, die ebenso wie die Steine nicht sichtbar war und durch die Mythen all die Jahrhunderte gezogen war.
Avalon.
Ein Eiland, das weder Kara noch Myxin besucht hatten, von dem sie nur wußten, daß es existierte, denn sie hatten aus dieser Richtung eine Warnung bekommen.
John Sinclair war weg, damit hatte sich leider kein Problem gelöst, das wußten beide.
Kara schaute zu Boden, als sie die Blockhütte verließ. Sie wirkte wie eine traurige Person, zwinkerte mit den Augen und atmete tief durch Es war ihr anzumerken, unter welch einem Druck sie stand.
Myxin schritt hinter ihr her. Beide blieben vor den Steinen stehen und schauten durch die Lücken in das Zentrum.
Kara räusperte sich »Es ist so schwer«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Hätten wir es ihm sagen sollen?«
»Nein.«
»So lauft er einfach in…«
»Er muß da durch.«
Kara nickte und bewegte unruhig ihre Hände »Du weißt, daß es für ihn trotz allem noch eine Chance gibt.«
Myxin lachte leise »Die allerdings sehr vage ist, wenn ich dich richtig verstehe.«
»In der Tat vage, aber es ist der Hauch einer Chance, die ich wahrnehmen muß.«
Myxin gab keine Antwort, denn er wußte genau, wie schwer es war. Kara gehörte zu den Menschen, die für einen Freund alles taten Und John Sinclair war ein Freund, einer der besten sogar. Wenn er den Weg schritt, der ins Grauen führte und sie ihn nicht zurückhalten konnten, weil die Wege des Schicksals vorgezeichnet waren, mußten sie versuchen, die letzte Möglichkeit zu nutzen.
Kara überlegte. Sie wußte, was auf sie zukam, wenn sie ihren Weg schritt. Es konnte mit ihrem Tod enden, alles lag im Bereich des Möglichen.
»Du überlegst noch?« fragte Myxin und legte seine Hand auf die Schulter der geheimnisvollen Frau.
»Ja, ich überlege, denn es kann auch für mich ein Weg sein, der in den Tod führt.«
»Noch hast du dich nicht entschieden.«
Kara lächelte verloren und wehmutig zugleich »Wenn ich nur an mich denke, wird John für alle Zeiten ein vom Schicksal Gezeichneter sein. Das weißt du auch.«
»Sicher.«
»Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Wir gehören zwar nicht zusammen, aber wir sind eine Gemeinschaft. Wir haben uns geschworen, gegen das Böse zu kämpfen. Dabei spielt es keine Rolle, aus welch einer Richtung es auf uns zukommt. Bitte, Myxin, ich möchte, daß du Verständnis für mich aufbringst.«
»Kara, du bist eine Person, die selbständig handelt und denkt. Ich kann nicht dagegen sprechen, das weißt du. Tu, was du für richtig hältst.«
»Und wenn es schiefgehen sollte?«
»Werde ich der letzte sein, der dir Vorwürfe macht.«
»Das kannst du auch nicht, denn ich werde dann nicht mehr sein, Myxin. Das weißt du.«
Er nickte nur und schaute zu, wie Kara auf die Steine zuging. Die beiden waren so unterschiedlich gewesen, damals in Atlantis, wo sie sich als Feinde gegenübergestanden hatten. Das lag lange zurück.
Heute dachten sie anders darüber. Da gehörten
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