0631 - Die Bluteulen
zu lösen. Sie besitzen eine gewisse Macht, wir ebenfalls…«
»Wir werden unsere Macht nicht missbrauchen!«, erklärte Sir James. In manchen Dingen war er penibel, und das musste er auch sein.
»Wovor haben Sie eigentlich Angst?«, fragte ich. »Reden Sie frei von der Leber weg. Wer übt Druck auf Sie aus?«
»Druck?« Die Stimme des Mannes klang höhnisch. »Nein, niemand übt Druck auf mich aus. Ich sah nur etwas ein. Es ist besser für uns alle, wenn wir zurückhaltend sind. Da schließe ich die Beziehungen unserer beiden Länder mit ein. Es werden auch Gespräche auf höherer Ebene stattfinden. Wir sollten die Tengus vergessen.« Sein Lächeln wurde säuerlich. »Das sind Horror-Geschichten, die sich irgendwelche Leute ausgedacht haben.«
»Dann fragen Sie am besten mal in der Schule nach, in der Mr. Crawford unterrichtet hat. Es wäre wirklich interessant zu erfahren, was man dort über die Horror-Geschichten sagt.«
»Das haben wir bereits.«
»Und?«
Der Japaner hob die Schultern. »Nichts ist geschehen«, erklärte er, »überhaupt nichts.«
»Noch mal, Mister…«
»Sie können wieder hinfahren und mit den Leuten reden. Die Lehrer und ihre Schüler wissen nichts von einem Tengu. Sie haben den Begriff nicht einmal gehört. Ich glaube, Sie sind da einem Phantom hinterhergelaufen, sorry.«
»Ja, einem Mord-Phantom. Die Toten sprechen für sich.«
»Sehen Sie die Taten als eine Kette unglücklicher Zufälle an, Mr. Sinclair.«
»Das kann ich nicht. Ich bin es gewohnt, gewissen Dingen auf den Grund zu gehen, besonders dann, wenn die Gefahr noch nicht vorbei ist. Sie sollten sich mit der Geschichte der Tengus beschäftigen, falls Sie das noch nicht getan haben. Sie ist grausam, sie ist furchtbar, sie ist mit Blut und Tod geschrieben. Wir wissen, dass ein Tengu einen neuen Körper gefunden hat, und wir werden ihn finden, falls er sich nicht auf die Suche gemacht hat, um uns zu ermorden.«
»Es fällt mir schwer, dies zu glauben, Mr. Sinclair.«
»Weil Sie es nicht wollen, ganz einfach. Sie wollen es nicht glauben. Sie wehren sich. Möglicherweise hat man Ihnen Instruktionen mit auf den Weg gegeben. Tut mir leid für Sie, aber das genau ist meine Ansicht, die von Inspektor Suko ebenfalls geteilt wird.«
Suko nickte nach dieser Bemerkung.
»Sie machen es mir schwer, Mr. Sinclair. Sie machen es mir tatsächlich schwer.«
»Weshalb stellen Sie sich so verbohrt an? Vor wem haben Sie denn Furcht? Vielleicht vor dem Club der weißen Tauben?«
Ich hatte mir die letzte Bemerkung bewusst aufgespart, weil ich mich schon vorher über die Reaktion freute.
Der Club der weißen Tauben war so etwas wie eine Geheimgesellschaft. Ich kannte kein Mitglied, aber ich hatte von ihm gehört. Mr. Isanga, ein Insider, der ebenfalls durch den Tengu sein Leben verloren hatte, war aus Tokio gekommen, um uns darüber zu berichten. Der Club setzte sich aus Traditionalisten zusammen, aus Menschen, die fest in der Mystik, der Magie und der Tradition des Landes Japan verwurzelt waren. Daran war im Prinzip nichts auszusetzen, aber der Club setzte sich zudem aus Mitgliedern zusammen, die alles hassten, was nicht japanisch war und was dem Land einmal Schaden zugefügt hatte.
Die Mitglieder des Clubs wollten sich für das Vergangene rächen, und sie wollten es auf ihre grausame Art und Weise tun, denn sie waren es, die über den oder die Tengus befahlen. Durch sie war der Tengu, der böseste Dämon Japans, wieder zurück ins Leben gerufen worden, und sie setzten ihn für ihre Ziele ein.
Der Mann aus Japan hatte sich in der Gewalt. Nur ein Zucken der Wimpern deutete an, dass ich ihn mit meinem Wissen überrascht hatte. Er fragte nach. »Was erwähnten Sie?«
»Club der weißen Tauben.«
»Ja und?«
»Sie kennen ihn nicht?«
»Nein. Wer soll das sein?«
Ich hörte Suko stöhnen. »Wer immer Sie sein mögen, Sie besitzen einen gewissen Einfluss. Sie werden über vieles informiert sein, deshalb halten Sie uns bitte nicht für zu dumm. Wir glauben Ihnen einfach nicht, dass Sie von der Existenz des Clubs nichts gehört haben. Uns ist auch klar, dass man ihn am besten verschweigt, denn er ist kein Ruhmesblatt für Ihr Land. Wir aber haben von ihm und besonders von seinen Zielen gehört. Die sind für uns verbrecherisch.«
»Kennen Sie Namen der Mitglieder?«
»Nein«, erwiderte Suko leise. »Es könnte sogar sein, dass Sie dem Club angehören. Niemand ist sicher. Wir wissen nur von dem leider ebenfalls durch den Tengu ermordeten
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