Im Leben wird dir nichts geschenkt.
PROLOG
S ie kennen mich wahrscheinlich aus Film und Fernsehen oder haben in der Presse über mich gelesen. Man könnte nicht nur ein Buch, sondern eine ganze Bibliothek damit füllen, was andere über mich gesagt und geschrieben haben. Als ich jung war, habe ich das alles verfolgt. Wenn ich etwas Gutes über mich las, habe ich mich natürlich sehr gefreut, mir die Kritik dagegen zu sehr zu Herzen genommen, und so bin ich irgendwann zu dem Schluss gekommen, mein Leben in vollen Zügen auszukosten und mir nichts daraus zu machen, was andere von mir denken.
Für jemanden wie mich, die als kleines Mädchen in einem bescheidenen Vorort von Kopenhagen groß geworden ist, war es ein unglaublicher Parcours. Es ist hektisch gewesen und voller wunderbarer Erfahrungen, doch wie jeder andere habe auch ich meinen Anteil an Überraschungen erlebt. Wir alle kennen diese Momente … wenn das Leben eine unerwartete Wendung nimmt – eine Krankheit oder der Verlust eines geliebten Menschen oder aber etwas unglaublich Gutes.
Der entscheidende Augenblick in meinem Leben kam 1978, als mir eine Frau, der ich noch nie begegnet war, draußen in der Stadt auf die Schulter klopfte und mich in eine glamouröse Welt einführte, von der ich nicht einmal zu träumen gewagt hätte, geschweige denn ahnen konnte, dass ich einmal darin meinen Platz finden würde. Ich, eine dünne Bohnenstange von einem Teenager – und doch wurde ich über Nacht zu einer Sensation: ein Supermodel, für das der Traum vom roten Teppich wahr wird. Ich wurde erwachsen und habe von da an für den Rest meines Lebens im Rampenlicht gestanden – ob es mir nun passte oder nicht, dass nichts verborgen blieb. So ist das nun mal, wenn die Kameras erst mal laufen: Man ist zur Stelle. Und so war es für mich als Entertainerin, als Diva, als Blondine – Brigitte mit den langen Beinen und dem großen Busen. Sie war über Nacht ein Erfolg und völlig anders als der Mensch, der ich vorher gewesen war – die schüchterne, unsichere, linkische Gitte aus Rødovre in Dänemark. Als ich auserwählt wurde, fühlte ich mich wie im Märchen, und ich war einfach noch zu jung, um zu verstehen, dass man immer einen Preis zahlen muss.
Alle redeten von meinem Jetset-Lebensstil und einer Reihe sehr öffentlicher Beziehungen, doch mit jeder grellen Schlagzeile wurde ich nur einsamer, und die Person, über die ich las, war mir fremd. Den Menschen, der ich wirklich war, habe ich unter Make-up, einem breiten dänischen Lächeln und Designerklamotten versteckt. Heute weiß ich, dass ich zu viel von mir selbst preisgegeben habe, um mich in einer Welt zu bewegen, in der die Männer und die Medien unersättlich waren. Und mir war ihre Meinung so wichtig. Es gab zahllose Gelegenheiten, bei denen ich mir selbst nicht treu war, und andere, bei denen ich von denen, die mir am nächsten standen, hintergangen wurde. Am Ende kostete es mich fast das Leben.
An meinem vierzigsten Geburtstag sah ich es klar vor Augen: Meine Existenz war so nicht mehr zu ertragen. Meine vor Leben sprühende Seele war fast verloschen, doch obwohl ich damals nur einen einzigen Ausgang kannte, ist mir inzwischen klar, dass diese Erfahrungen – die guten wie die schlechten – mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin: Gitte Nielsen, nicht Brigitte, mit anderen Worten, die Frau, die ich von Anfang an gerne gewesen bin und die ich jetzt ohne Wenn und Aber mit Stolz wieder bin.
Ich weiß nicht, warum so viele Jahre vergehen mussten, bis ich mich endlich als den Mensch akzeptieren konnte, der ich bin, statt mich so zu sehen, wie die Welt mich sah, doch inzwischen setze ich eindeutig die richtigen Prioritäten: Zuerst bin ich Mutter, dann Ehefrau, erst dann kommt die Arbeit. Ich gebe immer noch mein Bestes, aber ich weiß, was wichtiger ist.
Als ich nach langer Überlegung beschloss, meine Geschichte zu erzählen, wusste ich, dass ich der Welt offen und ehrlich zeigen musste, wer Gitte Nielsen wirklich ist – und sie ist ganz anders als das selbstbewusste Sexsymbol, das ein Film-Mogul in Hollywood in Brigitte umgetauft hat, weil er der Meinung war, dass »Gitte« im Film nicht funktionierte. Gitte klang nicht nach einem Star, die meisten würden nicht einmal wissen, wie es auf Dänisch ausgesprochen wird … – und sie war zu lange unter Brigitte versteckt. Gitte zu sein, erschien mir immer sicher, Brigitte dagegen brachte Aufregung und Gefahr. Brigitte hat mir all den Kummer eingebracht.
Meine Freunde haben mir
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