066 - Marionetten des Satans
umschloß sie den Kopf, ließ den Hörer fallen. Dann bewegte sie sich, wie unter Hypnose zur Tür.
Das Gelächter drang von der Straße herein. Sie blickte durch das Fenster. Vor dem Schmiedeeisentor stand Kate Winsor, im Nachthemd, mit wallendem Haar. Aus entsetzt geweiteten Augen starrte Julie sie an, sah, wie sie durch das Schmiedeeisentor schritt. Durch das geschlossene Tor …
Sie trug etwas auf dem Arm. Etwas Kleines, Winselndes … Gargantua!
Leichtfüßig ging Kate durch den Garten, den Kopf zurückgeworfen. Ein geisterhaftes Lachen kam über ihre Lippen, als sie sich Julies Haus näherte.
Der kleine Hund wurde über die Tür gehängt. Julie drehte sich der Magen um, sie schloß die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war Kate verschwunden. Nichts war in der stillen dunklen Nacht zu sehen als der schlaffe Tierkörper, der über der Tür hing.
Julie war einer Ohnmacht nahe. Aber sie durfte jetzt nicht schlappmachen. Sie mußte unbemerkt in ihr Bett zurückkehren. Sie schleppte sich durch den Garten bis vor ihre Haustür. Und da sah sie Gargantua, mit verrenkten Gliedern, und an seinem Ohr steckte ihr Ohrring.
Wilde Schauer liefen durch ihren Körper …
Um den Fluch zu bannen, muß der rechtmäßige Besitzer des entwendeten Gegenstandes diesen wiedererlangen.
Sie mußte den Ohrring an sich bringen. Ihren Abscheu überwindend, griff sie nach dem Schmuckstück, zerrte daran, Gargantuas Körper rollte leicht zur Seite. Den Ohrring in der Faust, öffnete sie die Tür. Gargantuas Körper schwankte leicht.
Die Treppe hinauf – leise. Rasch in ihr Zimmer, unter die Bettdecke. Müdigkeit – und Dunkel.
Im Morgengrauen erwachte sie. Es schien ihr, als hätte sie viel länger als nur ein paar Stunden geschlafen. Hatte sie wieder einen schrecklichen Alptraum geträumt? Sie wollte es glauben. Aber etwas lag in ihrer Faust. Und dann merkte sie, daß sie noch immer den Ohrring umklammerte. Wieder hüllte sie das Entsetzen der vergangenen Nacht ein. Wie ein schweres Gewicht lag es auf ihrer Brust.
Sie lauschte. Kein Laut war zu vernehmen, bis auf das Zwitschern der Vögel, die ihre Freiheit genossen.
Sie wußten, daß Julie nicht entkommen konnte. Wenn sie schreiend in der Mitte ihres Gartens stand, würde sie niemand hören, niemand sehen. Sie war abgeschnitten von der Außenwelt. Vergeblich würde sie im hellen Tageslicht an das Schmiedeeisentor laufen und schreien. Denn die Apartmenthäuser, die sich an ihren Garten anschlossen, waren noch unbewohnt.
Wenn sie nicht in die reale Welt zurückkehrte, würde sie sterben. Das wußte sie.
Hatte Katherine Wonderman Ruhe im Tod gefunden? Oder war sie ihm entkommen? War sie irgendwo an der Grenze zwischen Leben und Tod in Kate Winsor transformiert worden? Erinnerte sich Kate Winsor an ihr früheres Leben?
Ich sah sie … Ich weiß … Und jetzt gehen sie nach …
Immer wieder sagte sie sich diese Worte vor. Würde man auch sie am Fuß der Treppe finden, mit gebrochenem Genick?
Merrys geflüsterte Worte kamen ihr in den Sinn.
„… bereit für die Walpurgisnacht?“
Auf welche Weise würde man sie opfern?
Nur eine Hoffnung hatte sie noch. Der automatische Antwortdienst mußte Mike mitteilen, daß sie gestern abend angerufen hatte.
Hilf mir, Mike!
Ihre Gedanken wurden von einem Klopfen an der Haustür unterbrochen. Wer kam zu ihr? So früh …
Das Klopfen wurde lauter.
Julie stand auf, stieg die Treppe hinab. Als sie die Tür öffnete, fragte sie sich erschauernd, was wohl an der Außenseite hängen würde … Ein Stern, ein schön geschwungener goldener Stern hing an demselben Nagel, an dem …
„Wie gefällt er dir?“
Lou Davilla stand lächelnd vor ihr.
„Nun, Julie?“ Er blickte sie liebevoll an.
Antworte ihm, sag irgend etwas!
„Sehr schön – vielen Dank …“
„In zwei Stunden wirst du den Stern verdient haben, meine liebe Julie.“
In zwei Stunden? Sie starrte ihn verständnislos an.
„Es ist jetzt sechs Uhr dreißig. In zwei Stunden geht der Vorhang hoch.“
Natürlich. Was sie für Morgengrauen gehalten hatte, war die Abenddämmerung. Sie hatte fast den ganzen Tag geschlafen. Die Nacht brach ein, die Nacht des einunddreißigsten Aprils, die Walpurgisnacht.
„Sei nicht nervös, Julie. Du kannst dich noch ein wenig ausruhen. Ich bin überzeugt, du wirst heute abend großartig spielen.“ Er lächelte ihr noch einmal zu, dann wandte er sich ab und humpelte zum Theater.
Oh, sie hatte es im Unterbewußtsein
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