066 - Marionetten des Satans
nicht Merrys Mißtrauen zu erregen. Denn sie verfolgte eine bestimmte Absicht.
„Kennen Sie Mr. Davilla schon lange?“ fragte sie unschuldig. „Er ist ein großartiger Mann, nicht wahr?“
„Oh, ja. Das ist er. Ich kenne ihn auch schon eine Ewigkeit. Seit ich nach New York kam. Jemand aus meiner Heimatstadt gab mir einen Brief an ihn mit, in dem stand, daß ich begabt sei. Und Mr. Davilla stellte mich gleich nach der ersten Unterredung ein – mich, ein kleines Mädchen aus West Redding, das ist in Pennsylvania Dutch. Dort sind die Leute ziemlich abergläubisch, und ich war es auch.“ Sie lächelte in seliger Erinnerung. „Und er stellte mich ein. Es war unglaublich. Seit damals habe ich für jede seiner Aufführungen die Kostüme ausgewählt.“
„Interessant. Auch auf Auslandstourneen?“
„Lou unternahm nie Auslandstourneen. Er reiste zwar viel, brachte Anregungen mit, aber er brachte nur Aufführungen in den Staaten heraus.“
„Wissen Sie das sicher, Merry?“
„Natürlich. Lou würde nicht wagen, ein Stück ohne mich herauszubringen.“ Sie lachte über ihren eigenen Witz.
„Merkwürdig …“, sagte Julie langsam und beobachtete Merrys Gesicht. „Denn Mr. Davilla erzählte mir, er habe Kate Winsor kennengelernt, als sie für ihn in einer Produktion in Europa auftrat.“
Merrys Lachen erstarb abrupt. Sie erbleichte und schlang nervös die Finger ineinander.
„Natürlich – wie dumm von mir! Ja, da gab es eine einzige Aufführung.“ Sie lachte wieder, aber etwas gezwungen. „Damals war ich mit der Ausstattung für eine Fernsehoper beschäftigt, und so habe ich das ganz vergessen. Natürlich – wie hieß das Stück doch gleich?“
„Ich glaube, Lou sagte, es hätte Dynamo geheißen.“ Julie nannte den ersten besten Namen, der ihr einfiel.
„Das stimmt, Dynamo“, beeilte sich Merry zu versichern. Damit hatte sie sich verraten. Dann hatte also auch Lou gelogen, als er ihr von seiner ersten Begegnung mit Kate Winsor erzählte. War auch alles andere ein Lügengespinst?
Aber warum hatte er sie bezüglich seines Zusammentreffens mit Kate angelogen? Er hätte doch ganz einfach sagen können, er hätte sie irgendwann, irgendwo im Verlauf seiner Theaterarbeit kennengelernt? Gab es etwas Besonderes an dieser Bekanntschaft? Etwas Spezielles, das nicht bekannt werden durfte, das in einem Lügennetz verborgen bleiben mußte? Und hing dieses Geheimnis mit der Feindschaft zusammen, die Kate ihr vom ersten Tag an entgegengebracht hatte?
Konnte Julie überhaupt glauben, was Lou ihr über Katherine Wonderman erzählt hatte? Über ihren Tod in diesem Haus?
„Kennen Sie Katherine Wonderman …? Kather … K … W …“ Wie ein Blitz kam ihr die Erkenntnis.
Es gab noch eine K. W. – Kate Winsor! Doch dann umschleierten wieder die Nebel ihr Denken …
Als sie erwachte, saßen sie alle um ihr Bett herum, ernst und ruhig. Sylvia Di Fabios sonst so nervöse Hände lagen reglos in ihrem Schoß, Kate Winsor saß hochaufgerichtet da, mit erstauntem Lächeln, George, der am Ende des Bettes saß, flüsterte Lou zu: „Jetzt haben wir lange genug gewartet, Lou. Es wird Zeit.“
Sie hatte lange geschlafen. Sie wußte nicht, wie lange. Es mußte Nachmittag sein. Die Sonne schien noch immer, und eine leichte Brise bewegte die Gardinen. Später Nachmittag …
Oh, natürlich, die Probe, die Lou an ihrem Bett abhalten wollte. Und jetzt warteten alle auf sie.
„Ah, du bist aufgewacht.“ Lou stand auf und trat an ihr Bett. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Fühlst du dich jetzt besser?“
Es fiel ihr schwer, seinem Blick zu begegnen, ohne ihr Mißtrauen zu zeigen. Sie alle betrachteten sie angespannt. Sie …?
Wer waren sie?
Da war ein Band zwischen ihnen, unsichtbar, aber gegenwärtig. Sie wußte es, fühlte es. Und dieses Band fesselte sie, Julie.
Sie blickte sich um, musterte ein Gesicht nach dem anderen. Und dann blieb ihr Blick auf Kate Winsors Gesicht haften. Es wurde ihr bewußt, daß sie diese Frau noch nie genau angesehen hatte. Und als sie es jetzt tat, fühlte sie sich seltsam in Kates Bann gezogen. Eine Haut, blaß wie Milchglas, das Lächeln, das breiter wurde, als Kate Julies Blick erwiderte. Sie sah das rote Zahnfleisch über den weißen Zähnen, der Mund eines Krokodils … Sie hatte einmal ein Krokodil in einem Aquarium in Florida gesehen, das einen Fisch zwischen seinen scharfen Zähnen zermalmt hatte …
Dünne Brauen, eine kleine weiße Narbe auf der
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