0669 - Engel der Vernichtung
weißlich verfärbenden Eis…
Nicole war fassungslos.
Raffael war mehr als ein Diener gewesen. Er war ein Freund, ein Vertrauter - trotz aller respektvollen Distanz, die er stets eingehalten hatte. Und nun gab es ihn nicht mehr. Er war tot.
Tot.
Tot.
TOT!
Nicoles Knie gaben nach. Sie sank auf den kalten Boden, starrte den alten Mann an, der langsam, aber sicher zu einem Eiszombie wurde. Sie wollte es nicht glauben. »Warum?« schrie sie in die einsetzende Dunkelheit hinaus. »Warum konnten Sie nicht warten, alter Freund? Warum das hierl«
Hätte es nicht vielleicht noch eine Möglichkeit gegeben, Raffael zu retten?
Mit einer Art Dhyarra-Burn-Out?
Aber jetzt war es zu spät.
Nicole wischte Tränen fort, sah im Dämmerlicht das Gesicht des Toten. Raffael lächelte!
Er hatte die Frostmagie ausgetrickst!
Er war gestorben, ehe sie völlig von ihm Besitz ergreifen konnte. Er würde nicht als Frostzombie wieder aufstehen.
Dennoch ging Gefahr von seinem Körper aus. Die Vereisung schritt voran.
Nicole wußte, daß sie diesen Körper vernichten mußte.
Aber sie konnte es nicht.
***
Ted Ewigk konnte es.
Er folgte Nicoles Ruf, kam mittels der Regenbogenblumen von Rom zum Château und benutzte seinen Dhyarra-Kristall 13. Ordnung, um die entsetzliche Frostmagie auszubrennen. Er bestätigte Raffaels Vermutung, daß nur ein Machtkristall in der Lage war, einen Dhyarra-Kristall 8. Ordnung zu bezwingen. Mit der Energie des Machtkristalls zerstörte Ted den eisdurchsetzten Kristall, er verbrannte die bereits infizierten Stellen im Château und ließ keine einzige aus, die möglicherweise von Raffael in den letzten Stunden seines Lebens berührt worden sein konnten. Er verwandelte auch Raffaels Körper in zerfasernde, verwehende Magie. Nichts blieb von ihm übrig.
»Es tut weh, verdammt«, sagte er später. »Ich begreife immer noch nicht, daß ich das tun konnte.«
Es war etwas anderes, als einen schwarzmagischen Feind zu bekämpfen und auszulöschen. Es war das Auslöschen eines Freundes. Eines Mitstreiters.
Eine Legende fand an diesem Abend ihr Ende.
Niemand hatte sich jemals vorstellen können, daß es Raffael Bois eines Tages nicht mehr gab.
Jetzt war es soweit; das Unvorstellbare war Wirklichkeit geworden. Und sie alle standen vor einem unendlich tiefen, unendlich großen schwarzen Loch.
Vielleicht wäre alles leichter gefallen, wenn sich Raffael zum Schluß noch unter dem Einfluß der Eismagie gegen sie gewandt und sie bekämpft hätte. Aber dieser stille Abschied… er tat so entsetzlich weh.
Es war Fooly, der Jungdrache, der sich zwischen Ted Ewigk und Nicole Duval drängte und seine Arme hochreckte, um den beiden Menschen auf die Schultern zu fassen.
»Ich habe versucht, mit dieser Magie zurechtzukommen«, sagte er. »Nicht einmal Drachenmagie hätte es geschafft, sie zu neutralisieren.«
»Glaubst du, das hilft uns weiter?« fragte Nicole beinahe zu schroff.
»Es spielt keine Rolle, was ich glaube«, erwiderte der kleine Drache ernst. »Was ist, zählt. Grämt euch nicht. Er hat ein Leben bewahrt, und sein eigenes hätte ohnehin nicht mehr viele Jahre gewährt. Erinnert euch daran, daß ihm einst der Blaue Tod Lebenskraft schenkte. Ohne diese geschenkten Jahre wäre Monsieur Raffael vielleicht ohnehin schon tot.«
»Trotzdem ist es ungerecht«, sagte Nicole. »Warum er? Er hat nie jemandem etwas getan.«
»Wen hätte das Schicksal an seiner Stelle auswählen sollen?« fragte Fooly leise. »Dich, Mademoiselle? Mich? Den Chef? Lady Patricia? Butler William? Oder sonst jemanden? Wäre das weniger ungerecht gewesen?«
»Fooly hat recht«, sagte Ted Ewigk. »Es ist geschehen, und niemand kann es rückgängig machen. Wir…«
»Die Regenbogenblumen!« durchfuhr es Nicole. »Wir könnten zurückgehen in die Vergangenheit und verhindern, daß…«
»Wenn du das tust, zerstörst du eine Welt«, warnte Ted. »Denke daran, was wir mit Zeitparadoxa schon alles erlebt haben. Ich bin mir nicht sicher, ob wir dadurch nicht die falsche Zeitebene wieder aktivieren würden, die durch unsere Manipulationen während der Invasion entstand. Daß du damals gestorben bist, daran erinnerst du dich noch, oder? Willst du, daß noch mehr durcheinandergerät, daß das Chaos sich ausweitet, die Entropie weiter ansteigt Wie Fooly schon sagte: Raffael hatte sein Leben eigentlich hinter sich. Sein Tod mag ungerecht sein, aber irgend wann wäre er ohnehin gestorben. Er war ein schon sehr alter Mann, unser Freund.«
Nicole
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