068 - Der Vampir und die Taenzerin
„Sie meinen sicher Barnabas Collins?“
„Das stimmt“, sagte Elizabeth überrascht. „Aber woher wissen Sie das?“
„Der Taxichauffeur erwähnte ihn.“
Die Ältere meinte nachdenklich: „Barnabas ist eine sehr ungewöhnliche Persönlichkeit. Er scheint einen nicht unbeträchtlichen Eindruck auf die Leute im Städtchen zu machen. Doch kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer und bringe Sie dann zu Miß Wentworth.“
Diana folgte ihr die Treppen hinauf, einen dunklen Gang entlang, in ein sehr komfortabel ausgestattetes Schlafzimmer, dessen Fenster den Blick auf das Meer freigab.
„Ich hoffe, es wird Ihnen hier gefallen.“
„Davon bin ich überzeugt“, erwiderte Diana. „Es ist so liebenswürdig von Ihnen, sich unserer Truppe anzunehmen. Ohne Ihre Großzügigkeit hätten wir sie auflösen müssen.“
„Ich tue es gern“, versicherte Elizabeth Stoddard. „Ich bin eine Bewunderin Mary Wentworths, seit ich sie als junges Mädchen zum erstenmal sah. Sie war eine der größten Tänzerinnen und ist nun sicher eine großartige Direktorin, von der man viel lernen kann.“
„Ja, das ist sie“, stimmte Diana zu.
„Sie erzählte mir, daß sie bereits ein Engagement für die Truppe ab Herbst habe und die Sommersaison hier genügend bieten würde, sie bis dahin über Wasser zu halten“, sagte Elizabeth im Plauderton. „Das Städtchen wird kulturell profitieren von Ihren Aufführungen, die sicher auch eine Menge Fremde anlocken werden.“
„Das hoffe ich sehr“, erklärte Diana. „Das neue Ballettstück, das wir gerade einstudieren, ist in Thema und Stil sehr einfach und dürfte deshalb recht populär werden.“ Nach einem Augenblick fuhr sie fort: „Ich bin schon neugierig auf die Kapelle!“
„Sie ist nicht weit von hier, wenn Sie dem Fußweg hinter der Scheune folgen. Möchten Sie nun Miß Wentworth begrüßen, während ich Ihre Koffer heraufbringen lasse?“ fragte Mrs. Stoddard. „Viele Kollegen wohnen übrigens im Farmhaus gleich neben der Kapelle, aber ich freue mich, Mary Wentworth, Sie und noch einige Ihrer Truppe hierzuhaben.“
Wieder folgte Diana der Hausherrin den Korridor entlang. Eine der Türen stand nur angelehnt, und Diana sah die berühmte Altballetteuse in einem bequemen Ohrensessel vor einem gedeckten Teetisch sitzen. Ihr leicht überraschter Gesichtsausdruck über die Störung wurde zu einem Lächeln, als sie das Mädchen erkannte.
„Nur herein, Diana, ich freue mich, daß Sie endlich hier sind“, begrüßte sie die alte Dame mit ihrer dünnen Stimme. Für ihre achtzig Jahre hielt sich Mary Wentworth erstaunlich gerade. Ihr Haar, welches das verrunzelte, rundliche Gesicht mit dem sehr hellen Teint umrahmte, war schneeweiß und zu einem spärlichen Knoten gesteckt. Sie streckte dem Mädchen ihre blaugeäderten Greisenhände entgegen.
„Setzen Sie sich zu mir und leisten Sie mir bei einer Tasse Tee Gesellschaft.“ Sie wies auf den Sessel an ihrer Seite. „Und Sie bitte auch, Mrs. Stoddard.“
Aber diese lehnte mit der Begründung, sie habe noch sehr viel zu tun, dankend ab und verließ mit einem freundlichen Nicken den Raum.
Mary Wentworth schob Diana eine Tasse Tee zu. „Dank Mrs. Stoddards Großzügigkeit können wir uns unbesorgt den Proben und der Aufführung von Roxanna widmen.“
„Ich bin schon schrecklich aufgeregt“, gestand Diana. „Ich halte es für ein sehr gutes Stück.“
„Ja, Stefan ist ein erstaunliches Talent“, gab Mary Wentworth zu. „Trotzdem müssen noch eine Menge Änderungen vorgenommen werden. Stefan ist so launenhaft und unbeherrscht. Ich finde es ungemein schwierig, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wenn er nicht unser musikalischer Leiter und außerdem der Halbbruder unseres Stars Mavis Norrad wäre, würde ich das Projekt vielleicht aufgeben.“
„Oh, das wäre aber sehr bedauerlich.“
Mary nickte. „Eben, darum will ich auch noch einmal versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen. Wir haben übrigens schon mit den Proben begonnen. Nun da Sie hier sind, werden wir auch noch die Hauptrollen einstudieren. Sie übernehmen die zweite weibliche Hauptrolle, Mavis die erste. Peter Norrad wird die Rolle des satanischen Fremden tanzen, und Alex Carter die des jugendlichen Liebhabers. Das dürfte ein recht gutes Team abgeben. Ach ja, Sie sollten zusätzlich auch noch die Hauptrolle einstudieren.“
„Sehr gern“, sagte Diana dankend. Sie wußte, welch große Chance das für sie war.
Mary lächelte. „Keine Angst, mein Kind, ich übersehe
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