0684 - Die dunkle Jagd
Gefährten treffen.
»Du wirst dir eines Tages wünschen, tot zu sein«, murmelte Avenge. »So tot, wie ich es einmal war…«
Dabei wollte er nicht einmal töten.
Nur strafen.
***
Träume ich, oder ist das echt?, fragte sich Nicole Duval.
Die Umgebung, in die sie geraten war, kam ihr unwirklich vor. Es war dunkel, dennoch konnte sie sehen. Nicht so gut wie am hellen Tag, aber dennoch weit besser, als es den Lichtverhältnissen entsprechend hätte sein dürfen.
Habe ich plötzlich Katzenaugen entwickelt?
Das konnte es nicht sein.
Es musste an der Umgebung selbst liegen.
Aber wo war diese Umgebung?
Vage erinnerte Nicole sich wieder an die eigenartigen Bilder, welche sie zu sehen geglaubt hatte, ehe sie die Boutique betreten hatte. So, wie jene Vision vorhin immer weiter verschwommen war und undeutlicher wurde, kehrte sie jetzt allmählich zurück.
Es war die gleiche Umgebung, die Nicole schon vorhin »gesehen« hatte!
»Aber wie, beim Keuchbart der Panzerhorrischrexe, bin ich hierher gekommen?«
Jetzt waren es die Erinnerungen an die Wirklichkeit, die langsam aber sicher zurücktraten und undeutlicher wurden.
Sie hatte die Boutique betreten. Hatte mit jemandem gesprochen, wollte ein Kleid anprobieren.
Sie betrat die kleine Umkleidekabine, zog den Vorhang hinter sich zu.
Irgendwie berührte sie dabei den Spiegel.
Und…
»Ist dieser Spiegel etwa ein Tor?«, überlegte sie. »Eine Art Weltentor? Bin ich durch ihn hierher versetzt worden?«
Sie versuchte sich zu erinnern, ob dieser Spiegel bei der Berührung vielleicht durchlässig geworden war, irgendwie immateriell. Aber sie hatte doch vorher beobachtet, wie der junge Mann - Jean hieß er wohl? - sich an eben diesen Spiegel gelehnt hatte!
Seltsamerweise hatte sie davon einen sehr klaren Eindruck, obgleich sie die Szene nur ganz kurz gesehen hatte. Die anderen Erinnerungen dagegen wurden immer undeutlicher. Sie konnte sich an die Gesichter der anderen Frauen nicht mehr erinnern, nicht genau, ob sie außer dem Kleid noch etwas anderes mit in die Kabine genommen hatte…
Der Spiegel! Hatte sie ihn berührt? Ja! Aber Jean hatte sich dagegen gelehnt, und er war nicht in eine andere Welt versetzt worden. Warum nicht?
Weil es vielleicht etwas ganz anderes war, das Nicole von dort nach hier gebracht hatte?
Oder war es nur auf sie ganz persönlich abgestimmt?
Eine Falle für sie?
Wer aber konnte diese Falle gestellt haben? Und warum hatte sie vor dem Betreten der Boutique schon einmal den Eindruck gehabt, ihre jetzige Umgebung zu sehen ?
Da war doch noch mehr gewesen als nur die Finsternis.
Dunkle Gassen. Eine Fledermaus. Ein schneller Schwertstreich. Daneben… aber unwichtig, es war ja nur eine Fledermaus gewesen und nicht der, den sie jagte…
Schwert?
Wie kam sie an ein Schwert?
Unwillkürlich griff sie nach der Rückenscheide, in der sie es trug -aber da war keine Rückenscheide und auch kein Schwert. Nach wie vor trug sie ihre luftige Kleidung, mit der sie vom Château nach Lyon gekommen war.
Schwert. Fledermaus. Ein Gejagter. Wer?
Sie wollte doch niemanden jagen. Sie wollte doch nur einkaufen und sich dabei ein wenig amüsieren und ablenken vom Alltags-Stress.
»Wohin bin ich hier bloß geraten, und wie?«, fragte sie sich und kam bei ihren Überlegungen immer wieder auf den Spiegel zurück, weil sie nicht zum ersten Mal erlebte, dass Spiegel als Weltentore oder Übergänge in andere Dimensionen dienen konnten.
Aber Jean hatte sich doch dagegen gelehnt, und nichts war passiert…
Sie sah sich um. Sie hatte ja kaum ein paar Schritte getan, also musste in ihrer unmittelbaren Nähe das diesseitige Tor sein, aus dem sie herausgekommen war. Durch das konnte sir dann doch wieder zurückkehren.
Ein böser Gedanke durchfuhr sie: Was, wenn es sich hier um ein ähnliches magisches Konstrukt handelte wie bei dem Unterschlupf der Brüder des seligen Kraken ? Da hatte es »Einbahnstraßen« gegeben, die beim Weg zurück auch noch nach dem Zufallsprinzip arbeiteten - man musste sich überraschen lassen, wo man wieder auftauchte…
Gut, das war für Nicole nicht unbedingt das Problem.
Wenn sie an einem unbekannten Ort herauskam, war sie durchaus in der Lage, sich zu orientieren und eine Möglichkeit zu finden, heimzukehren.
Das eigentliche Problem war, herauszufinden, wo sie sich derzeit befand!
Die Umgebung, in welcher sie sich aufhielt, war ihr völlig unbekannt. Es schien sich um eine Art antiker Stadt zu handeln. Die Gasse, in der Nicole
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