069 - Opfer der Daemonen
fremde Länder zu gehen. Sie war an dieses alte, einsame Haus gekettet und mußte sich mit der fragwürdigen Freundlichkeit ihrer Bekannten begnügen. Nein, ohne Mary wäre sein Leben nur eine Anhäufung sinnlos verbrachter Tage.
Lowry versuchte sich einzureden, es gäbe keinen Grund zur Beunruhigung. Nach einer Weile hatte er sich auch wirklich so weit in der Gewalt, daß das Zittern seiner Glieder nachließ.
Wo Mary nur blieb? Angestrengt lauschte der Mann in die Nacht, und je schneller die Minuten dahin tropften, desto größer wurde die Angst in ihm. Sie steigerte sich langsam zur Panik und drohte, ihm die Kehle zuzuschnüren.
Plötzlich glaubte er ein Geräusch zu hören. Es klang, als wenn rasche Schritte durch die Halle kämen. Es waren merkwürdig hohle, geisterhafte Töne, wie man sie oft in Träumen vernahm.
Jim Lowry sprang hoch und lief zur Tür. Er riß sie auf und sah schemenhaft eine zierliche Gestalt vor sich. Sie schien wie von leichten Nebelschwaden verhüllt.
„Mary!“ rief er. Verlangend streckte er beide Hände nach ihr aus, aber es war, als vermöchte er den Dunst nicht zu durchdringen.
„Da bist du ja, Jim Lowry!“ sagte die Frau mit einer seltsam dünnen Stimme. „Du Vagabund! Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“
Jim hörte ihr gar nicht zu. Er strahlte vor Glück, daß sie wieder bei ihm war, und bewundernd sagte er: „Du bist so schön, viel zu schön und zu sanft für mich – eine großartige Frau! Wenn ich dich nicht hätte, würde ich mich auf der Stelle die Klippen hinab stürzen!“
Mary lachte. „So kenne ich dich gar nicht, Jim. Und nun gestehe: Wo warst du?“
„Wieso …?“ Irritiert sah er seine Frau an. „Ich weiß es nicht …“ gestand er zögernd. „Ich weiß es wirklich nicht!“
„Hauch’ mich mal an!“
„Ich bin nicht betrunken.“
„Aber du zitterst ja … was ist nur mit dir? Ein neuer Anfall?“
„Nein, nein, das ist es nicht. Ich hatte Angst um dich, Mary! Wo warst du?“
„Ich habe dich gesucht.“
„Gesucht …“ flüsterte Professor Lowry und strich sich über die Stirn. Da war schon wieder solch eine fatale Gedächtnislücke, und er war nicht fähig, sie zu füllen.
„Komm“, sagte er und griff nach Marys Hand, aber sie entzog sich seiner Berührung und ging ihm voran ins Wohnzimmer. Eigentlich sah es aus, als würde sie über den Boden schweben, ohne ihn überhaupt zu berühren.
Sie ließ sich in den Sessel vor dem Kamin gleiten. Mary Lowry schien zu frösteln.
Er bückte sich, nahm ein paar Scheite aus dem Korb und zündete sie an. Dann setzte er sich seiner Frau gegenüber. Nachdenklich betrachtete er die zarte Gestalt.
„Als ich nach Hause kam, hörte ich Schreie“, sagte Lowry in die Stille.
„Schreie?“
„Ja, es klang, als hättest du mich gerufen.“
Mary schüttelte den Kopf. Ein Lächeln lag in ihren Mundwinkeln.
Sie hatte beunruhigende Augen, dunkel und sinnlich. Wenn sie ihn mit diesem Blick von unten her ansah, spürte er, wie ihm kleine, wohlige Schauer über den Rücken liefen.
Welch ein Narr war er doch gewesen, diese Frau allein zu lassen! Er fragte sich, was sie eigentlich an ihm fand, jung und hübsch, wie sie war. Sicher, das Leben im Freien war ihm gut bekommen. Seine Haut war gebräunt und ließ ihn wesentlich jünger aussehen, als er war. Trotzdem konnte er nicht begreifen, wie sie sich ausgerechnet in ihn hatte verlieben können. Mary, die die Wahl unter vielen Männern gehabt und der sogar Tommy Williams den Hof gemacht hatte. Was fand sie nur an einem so schwerfälligen Menschen wie ihm? Einen Moment lang geriet er in Panik, als er sich ausmalte, was passieren würde, wenn sie eines Tages genug von seiner schweigsamen Art haben sollte, genug von ihm und seinen langen Reisen …
„Mary?“
„Ja, Jim?“
„Liebst du mich eigentlich noch ein bißchen?“
„Welche Frage. Ich würde sagen, mehr als ein bißchen.“
„Mary? Ich …“
„Nun frag’ schon. Eher gibst du ja doch keine Ruhe.“
„Hatte Tommy dich nicht einmal gebeten, seine Frau zu werden?“
Sie verzog das Gesicht. „Bist du noch immer eifersüchtig auf ihn? Ich dachte, das wäre längst vergessen!“
„Aber du hast mich geheiratet“, blieb Lowry hartnäckig beim Thema.
„Ja, und ich erklär’ dir auch, weshalb. Du bist klug und gebildet, außerdem stark und männlich und hast alles, was sich eine Frau nur wünschen kann.“
„Danke, Liebes.“
Nach diesem Gespräch fühlte sich der
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