069 - Opfer der Daemonen
drückten?
„Noch mal achtunddreißig Jahre“, grinste Dr. Chalmers, der Chefarzt der Klinik des Atworthy College. „Ein kräftiger Kerl wie Sie braucht vor ein bißchen Malaria nicht zu erschrecken. Ein paar Fieberschauer, das ist alles. Apropos, wann wollen Sie wieder nach Mexiko?“
„Wenn ich warte, bis meine Frau mir ihren Segen dazu gibt, dann wohl nie.“
Wenn ich eine Frau wie die Ihre hätte, dann könnte mir Yukatan gestohlen bleiben! Außerdem kann ich mir wirklich nicht vorstellen, was ihr Wissenschaftler an fremden Ländern findet.“
„Wir Ethnologen sind ein neugieriges Volk“, sagte Lowry.
„Ich verstehe nicht, was einen erwachsenen Mann an primitiven Opferbräuchen, Dämonen und Teufeln interessieren kann“, bemerkte Chalmers bissig. „Da fällt mir ein: Ihr Artikel in Newspaper Weekly hat mir ausgezeichnet gefallen!“
Die Tür bewegte sich ein wenig. Es war wohl der Wind.
„Dämonen und Teufel, mein Bruder? Gibt es doch jemanden, der in diesen Zeiten der Unwissenheit über uns spricht?“
„Nach einer Weile wirst du entdecken, Schwester, daß in einem College über praktisch alles gesprochen werden kann.“
„Vielen Dank“, sagte Lowry und versuchte gleichgültig drein zu sehen.
„Natürlich haben Sie damit ein heißes Eisen angefaßt“, meinte Chalmers.
„Wieso?“ fragte Lowry abwesend.
„Sie kennen Jebson nicht!“ sagte Chalmers. Er hätte einen jungen Mathematiker am liebsten ans Kreuz schlagen lassen, weil dieser den Namen Atworthy in einem Beitrag für ein wissenschaftliches Magazin verwendet hatte. Aber vielleicht hat unser lieber Vorstand Ihren Artikel gar nicht gesehen. Würde mich auch wundern, wenn der alte Knacker die Newspaper Weekly lesen würde …“
„Ach so“, sagte Lowry. „Ich dachte schon, Sie hätten es gesagt, weil ich nicht an solche Dinge glaube. Mein Freund Tommy …“ „Vielleicht auch deshalb. Ich bin der Ansicht, daß wir im Grunde unseres Herzens alle abergläubisch sind. Man muß schon sehr starken Gemütes sein, wenn man sich über jeden Aberglauben, und sei er noch so winzig, erhaben fühlen möchte; über gute und böse Geister, oder über Schicksal und Bestimmung. Ich kenne kaum jemanden, der nicht einmal auf Holz klopfen würde.“
„Gute und böse Geister? Schicksal und Bestimmung? Mein Bruder, erzähl’ mir mehr über diesen Lowry!“ „Gleich. Aber sei still jetzt!“
„Ich habe keinen Grund, mich zu fürchten. Schließlich hat es noch keinen gegeben, der einem bösen Geist oder Dämon Auge in Auge gegenübergestanden hätte. Ich wüßte von keinem authentischen Fall.“
„Und die Visionen verschiedener Heiliger?“
„Jeder, der lange genug hungert, hat Halluzinationen.“
„Wenn ich mich recht erinnere, bieten Sie Ihren Kopf demjenigen, der Ihnen einen waschechten Dämon präsentiert?“ „Steht das in seinem Artikel?“
„Pst.“
„Jawohl“, nickte Lowry. Er grinste. „Für einen Mann der Wissenschaft führen Sie äußerst seltsame Gespräche, Doktor!“ „Ich war lange genug an der psychiatrischen Klinik, um zu wissen, daß Dämonen mit dem Vollmond kommen. Haben Sie jemals erlebt, wie rabiat die Insassen eines Irrenhauses zur Zeit des Vollmondes werden?“
„Unsinn!“
„Mag sein.“
„Dieser Arzt, mein Bruder, sieht zu viel!“
„Chalmers, ich habe in diesem Artikel klarzulegen versucht, welches die Anfänge des Aberglaubens waren, und wie es der Wissenschaft gelungen ist, der Menschheit zumindest einen Teil ihrer dunklen, atavistischen Ängste zu nehmen. Und jetzt zweifeln Sie an den Erfolgen der Wissenschaft!“
„Glaubt dieser Mensch denn an überhaupt nichts, mein Bruder?“ „Na bitte!“ lachte Chalmers. „Wenn Sie unbedingt wollen, ziehen Sie gegen Ihre Dämonen in den Krieg, Lowry! Und wenn sie böse werden, dann verleugnen Sie einfach ihre Existenz. Wohlgemerkt, ich sage nicht, daß sie existieren. Ich finde es nur seltsam, daß das Los des Menschen ein so trauriges geblieben ist, obwohl er seit undenklichen Zeiten versucht, es zu verbessern. Der Gedanke liegt nahe, daß es Kräfte geben muß, die das Elend auf dieser Welt vermehren.“
„Also werden mich die bösen Kobolde holen, wenn ich nicht achtgebe“, sagte Lowry und schlüpfte in seinen Mantel.
„Wenn Jebson den Artikel gelesen hat, auf alle Fälle“, sagte Chalmers.
„Schwester, du weißt, wo du einen der Mächtigen findest. Bringe ihn sofort zu mir.“
„Du bist so guter Laune, mein Bruder!“
„Ich werde
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