0692 - Herr der Schattenburg
nahm mein Kreuz in die Hand, drehte es bemerkte, wie die Kette über meiner Hals schabte, dann preßte ich einer Lidschlag später das Kreuz gegen die Münze.
Das war es dann auch!
Plötzlich umtoste mich ein wahnsinniger Sturm. Unter mir flammte es auf, kalte Feuerzungen leckten an mir vorbei, zersprühten, und ich rollte mich zur Seite, um zu sehen, was ich mit meiner Aktion angerichtet hatte…
***
Es war genau das Richtige gewesen!
Die Münze hatte die Verbindung zu Semerias gehalten. Nur durch sie war die Dimensionsinsel innerhalb unserer Zeit entstanden, nur sie hatte die Schattenburg entstehen lassen, doch die Kraft des Kreuzes war in diesem Augenblick stärker gewesen. Die andere Macht war eben zu sehr auf die der Werwölfe fixiert gewesen, und das hatte sich nun furchtbar gerächt.
Diese Welt brach zusammen.
Und die verschwand mit heulenden Lauten während eines gewaltigen Sturmwindes. Sie sauste um mich herum, die Schatten glitten wie Scherben an mir vorbei. Ich sah, daß sie sich auf ein bestimmtes Ziel konzentrierten.
Es war der Weißbärtige.
Sie fuhren von verschiedenen Seiten in seinen Körper hinein, so daß er keine Chance bekam, auch nur einem dieser gefährlichen Schatten auszuweichen.
Er versuchte es zwar und führte dabei makabre Tänze auf wie ein Greenhorn im Wilden Westen, vor dessen Schuhen irgendein Bösewicht in den Boden schießt.
Der Weißhaarige starb einen schrecklichen Tod, denn die Schatten zerschnitten und zerdrückten ihn.
Sie schufen aus seiner Gestalt ein grausames Puzzle, dessen Einzelteile sich nach der Ablösung sofort in Rauch auflösten und wie in einem Kamin nach oben rasten, dem Gesicht des Semerias entgegen, das dünner und dünner wurde, um schließlich vollends zu verschwinden.
Und damit war auch der letzte Schatten weg.
Ich befand mich wieder in einem normalen Wald, nicht weit von der Metropole London entfernt.
Mein Gott, tat dieses Wissen gut.
***
Und es ging mir noch besser, als ich erkannte, daß keiner gestorben war. Sie hatten überlebt, wenn auch mit einigen Verletzungen, aber die ließen sich auskurieren.
Suko fing sich als erster. Zwar noch krumm und stöhnend kam er zu mir, aber er kam. Ich stand neben Nora Shane, einer toten Frau mit rötlichblonden Haaren, die auf dem Boden der Lichtung wie eine Puppe lag.
»Machst du dir Vorwürfe, John?«
»Ich weiß nicht.«
»Das brauchst du nicht. Ich glaube, daß ihr Leben schon von Beginn an irgendwo verflucht gewesen ist, wie das des Griechen Krystos. Wir haben getan, was wir konnten.«
»Ja, Suko. Und wie so oft fehlte auch hier wieder einmal ein winziges Stückchen, um einen vollen Sieg genießen zu können.«
Er drehte mich herum. »Schau dir die beiden an. Ist das nicht Sieg genug. Sie feiern heute ihren fünfundzwanzigsten Hochzeitstag und haben das Leben geschenkt oder wieder zurückbekommen.«
Ich lächelte. Er hatte so recht. Die Morlands hockten wie frisch Verliebte im Gras, hielten sich umklammert und schienen die übrige Welt vergessen zu haben.
Schön, daß es auch noch so etwas auf dieser oft so verfluchten Erde gab…
ENDE des Zweiteilers
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