Aller guten Dinge sind vier
1
Im Juli lebt sich’s in Trenton wie in einem riesigen Pizzaofen. Man schmort in Dämpfen und Gerüchen.
Weil ich von dem großen Sommer-Happening auf keinen Fall was versäumen wollte, hatte ich das Schiebedach meines Honda CRX geöffnet. Mein braunes Haar war zum Pferdeschwanz gebunden, die Locken vom Wind zerzaust. Die Sonne brannte mir auf den Kopf, und unter meinem schwarzen Spandex-Sport-BH tröpfelte der Schweiß. Ich hatte passende Spandex-Shorts an und ein ärmelloses schlabberiges Baseballhemd der Trenton Thunders. Ein ideales Ensemble eigentlich, nur ließ es mir keinen Platz für meine .38er. Das hieß, ich würde mir eine Kanone leihen müssen, um meinen Vetter Vinnie abzuknallen.
Ich ließ den Wagen vor dem Laden stehen, in dem Vinnie seine Geschäfte als gewerblicher Kautionssteller betreibt, sprang raus, rannte über den Bürgersteig und riß die Bürotür auf. »Wo ist er? Wo ist dieses miese Schwein, das die Frechheit besitzt, sich Mensch zu nennen?«
»O-o!« sagte Lula, die hinter dem Aktenschrank stand. »Alarmstufe hundert.«
Lula ist früher mal anschaffen gegangen, jetzt ist sie für die Ablage zuständig und gibt mir manchmal Hilfestellung, wenn ich auf flüchtige Klienten Jagd mache. Wenn Menschen Autos wären, wäre Lula ein wuchtiger schwarzer 53er Packard mit chromblitzendem Kühlergrill, überdimensionalen Scheinwerfern und dem Knurren eines Fleischerhundes. Strotzt vor Muskeln. Viel zu üppig für einen Kompaktwagen.
Connie Rosolli, die Büroleiterin, rückte ein Stück von ihrem Schreibtisch ab, als ich reinkam. Dieses Vorzimmer, in das Freunde und Verwandte von Übeltätern aller Art kamen, um finanzielle Unterstützung zu erbitten, war ihre Domäne. Hinten, im Allerheiligsten, saß mein Vetter Vinnie, machte Mr. Johnson die Hölle heiß und beriet sich mit seinem Buchmacher.
»Hey«, rief Connie, »ich weiß schon, warum du so sauer bist, aber ich hab damit nichts zu tun. Ich an deiner Stelle würde diesem Mistkerl einen solchen Tritt in den Hintern geben, daß er bis zur nächsten Kreuzung fliegt.«
Ich schob mir die Haarsträhne, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte, aus dem Gesicht. »Ein Tritt reicht nicht. Ich glaub, ich knall ihn ab.«
»Dann mal los!« sagte Lula.
»Genau«, stimmte Connie zu. »Knall ihn ab.«
Lula musterte mich von oben bis unten. »Brauchst du eine Kanone? Ich seh nirgends an dem Spandexzeug sowas wie eine Ausbuchtung von einer Waffe.« Sie lupfte ihr T-Shirt und zog eine Chief Special aus dem Bund ihrer abgeschnittenen Jeansshorts. »Du kannst meine nehmen. Mußt nur aufpassen; sie hat ein bißchen Schlagseite.«
»Was willst du mit so einer Spielzeugpistole«, sagte Connie und zog ihre Schreibtischschublade auf. »Ich habe eine Fünfundvierziger. Die reißt ein richtig schön großes Loch.«
Lula griff nach ihrer Handtasche. »Moment mal. Wenn du so was willst, geb ich dir meinen Kracher, eine vierundvierziger Magnum. Wenn’s da knallt, passiert echt was, verstehst du? Die reißt ein Loch, da könntest du einen VW-Bus durchfahren.«
»Eigentlich hab ich das mit dem Abknallen nicht so ernst gemeint«, sagte ich.
»Schade«, meinte Connie.
Lula schob ihre Pistole wieder in ihre Shorts. »Ja, das ist eine echte Enttäuschung.«
»Also, wo ist er? Ist er da?«
»Hey, Vinnie!« schrie Connie. »Stephanie will dich sprechen.«
Die Tür zum hinteren Büro ging auf, und Vinnie schob seinen Kopf raus. »Was ist?«
Vinnie ist einsfünfundsechzig groß, schaut aus wie ein Wiesel, denkt wie ein Wiesel, stinkt wie eine französische Hure und war mal in eine Ente verknallt.
»Das weißt du doch ganz genau!« gab ich zurück, die Hände in die Hüften gestemmt. »Joyce Barnhardt! Meine Großmutter war beim Friseur und hat gehört, daß du Joyce als Ermittlerin angeheuert hast.«
»Ich hab Joyce Barnhardt eingestellt. Na und?«
»Joyce Barnhardt ist Änderungsschneiderin bei Macy’s.«
»Und du hast früher mal Damenunterwäsche verkauft.«
»Das war was ganz andres. Ich hab mir den Job bei dir mit Erpressung erzwungen.«
»Genau«, sagte Vinnie. »Was willst du eigentlich?«
»Na schön!« schrie ich. »Sieh nur zu, daß sie mir nicht in die Quere kommt. Ich hasse Joyce Barnhardt!«
Und jeder wußte, warum. Im zarten Alter von vierundzwanzig, nach weniger als einem Jahr Ehe, hatte ich Joyce splitterfasernackt auf meinem Eßzimmertisch erwischt, wo sie mit meinem Göttergatten Such-die-Salami spielte. Es war das einzige Mal, daß
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