07 - komplett
schon alles, was nötig war, Sir.“
In ihrer Stimme schwang kein Zorn mit. Wie Jack erriet, versuchte sie nur einen Sinn in den Ereignissen an Bord der „Swift“ zu finden. Das versuchte er selber immer noch. „Tom gehörte zur Besatzung des Bootes. Wäre er nicht an Bord gewesen, hätte er das Misstrauen der anderen Männer erregt. Weil Buckley nicht auftauchte, erschien White mir schon nervös genug.“
„Hatten Sie mit dem Verschwinden des Anführers zu tun, Sir?“
Jack nickte. Dann entstand ein kurzes Schweigen, bis Francesca den Atem anhielt.
Offenbar kam ihr soeben ein Gedanke.
„Unsere Begegnung heute in Salcombe war kein Zufall, nicht wahr, Sir?“ Jack sah den Argwohn, der ihre Augen überschattete. „Wollten Sie Tom zu einem neuen tollkühnen Abenteuer überreden?“
Lachend schüttelte er den Kopf. „Keineswegs, Ihr Bruder ist in Sicherheit, das verspreche ich Ihnen.“ Dass Tom ihm erzählt hatte, die Lindens würden den Weihnachtsmarkt besuchen, erwähnte er nicht. Genauso wenig teilte er Francesca mit, wie lange er dort gewartet hatte.
„Ob mich Ihr Versprechen beruhigen sollte, weiß ich nicht, Sir“, gestand sie lächelnd.
Als er ihr in die Augen schaute, fand er bestätigt, was er bereits an Bord der „Swift“
erkannt hatte – Miss Linden war eine Frau, die sich mit keiner anderen vergleichen ließ. Umso glücklicher stimmte ihn das Wiedersehen. „Um diese Jahreszeit ist ein Versprechen ein Geschenk, und man muss es halten. Ich wünsche Ihnen ein wundervolles Weihnachtsfest, Miss Linden.“
„Und ich Ihnen, Lord Holberton. Frohe Weihnachten.“
Er verneigte sich, dann ging er zu seinem Wagen.
Jack beobachtete Francesca durch das Kutschenfenster, bis sie aus seinem Blickfeld verschwand. Danach verweilten seine Gedanken noch sehr lange bei der jungen Frau, die im verblassenden Tageslicht auf dem Gartenweg stand.
In dieser Nacht fand Francesca keinen Schlaf. Stocksteif lag sie auf der Bettkante und lauschte den leisen Atemzügen ihrer Schwestern. Die Gedanken überschlugen sich und ließen ihr keine Ruhe. Natürlich kannte sie Lord Holberton kaum – und er sie ebenso wenig. Aber als sie ihn am vergangenen Tag gesehen hatte ... Deutlich genug erinnerte sie sich an ihr heftiges Herzklopfen bei der Begegnung auf dem Markt, an die Erregung in seiner Nähe. Wenn sie auch inständig wünschte, es wäre anders – sie konnte sich nicht einreden, er sei ihr gleichgültig. Allein schon seine Anwesenheit brachte sie immer wieder aus der Fassung. Einfach lächerlich ... Ein Frauenheld, ein Trunkenbold, ein Spieler ... Hatte er das nicht selbst zugegeben? Ein ehrloser Mann, den eine sittsame Frau gar nicht kennen durfte, weil es zu gefährlich war!
Sie dachte an die Rolle, die er Whites wegen gespielt hatte – seinen kühnen Blick, der über ihren Körper gewandert war, die offensichtliche Lust in seinen Augen, die arrogante Sprechweise. So überzeugend, und sie ahnte auch, warum. Lord Holberton war durch und durch hartgesotten. Nur der Himmel mochte wissen, wie oft sie verächtliches Gerede über solche Männer gehört hatte. Aber ihre innere Stimme wisperte, mit seinem Verhalten habe er ironischerweise nicht nur ihre Tugend, sondern auch ihr Leben gerettet. Ohne ihn ...
Und sie konnte die tiefe Seelenqual, die sie in seiner Miene gelesen hatte, nicht vergessen. Eine einzige ehrenwerte Tat könne die Vergebung aller Sünden bewirken, hatte sie beteuert. Und hatte Jack Holberton nicht schon genug getan? Immerhin war ihm die Verhaftung Whites und der Buckleys zu verdanken. Und ich blieb am Leben, ergänzte sie.
Eigentlich sollte sie Mama veranlassen, die Einladung zu dem Ball in Flete House abzulehnen. Das wäre richtig, dachte Francesca, weil ich allmählich eine unheilige Besessenheit dem Mann gegenüber entwickele. Wann immer sie an ihn dachte, begann ihre Haut zu prickeln. Und das schickte sich wohl kaum für eine ehrbare junge Dame. Andererseits, die Aussicht, einen Ball zu besuchen, Musik und Tanz und Heiterkeit zu genießen ... Wäre es nicht wundervoll für ihre Mutter und die Schwestern? Und – das wagte sie sich einzugestehen – auch für sie selbst? Diese Freude durfte sie ihnen nicht missgönnen, oder? Selbst wenn sie Seine Lordschaft wiedersehen würde ... Sicher war sie nicht so albern und affektiert, um sich in seiner Anwesenheit unmanierlich zu benehmen. Außerdem würden zahlreiche Gäste im Flete House weilen. Vermutlich würde er sie gar nicht bemerken. Doch bei
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