07 - komplett
kannten sie nicht – schon gar nicht so vornehme wie Jack Holberton. Fasziniert betrachteten sie seinen maßgeschneiderten Mantel aus edlem dunkelblauem Tuch, der die breiten Schultern betonte, die teuren gelbbraunen Breeches, die in glänzend polierten Reitstiefeln steckten. Und das Krawattentuch war in einem Stil verknotet, den sie nie zuvor gesehen hatten.
Die Brise zerzauste sein dunkles Haar. Zweifellos war er der attraktivste Mann, den Francesca jemals erblickt hatte, und diese Erkenntnis – zusammen mit ihren unerwünschten Emotionen – bedrohte ihre Selbstkontrolle. Deshalb fühlte sie sich in die Defensive gedrängt und erklärte gereizt: „Es ist spät geworden. Leider müssen wir jetzt gehen. Sonst verpassen wir die Fähre.“
„Auch ich werde die Fähre benutzen“, verkündete Jack lächelnd.
Erstaunt schluckte sie. Schon wieder beschleunigte sich ihr Puls. Trotzdem gelang es ihr, in höflichem Ton zu fragen: „Wirklich?“
„Ja, wirklich“, bestätigte er, und sein Lächeln vertiefte sich.
„Flete House liegt in der entgegengesetzten Richtung ...“ Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, wollte sie im Erdboden versinken. Doch sie ließen sich nicht zurücknehmen.
„Da haben Sie völlig recht, Miss Linden.“ Unentwegt schaute er sie an. „Aber ich werde Flete House nicht aufsuchen.“
„Offenbar nicht!“ Als sie Sophys Bestürzung bemerkte, fragte sie etwas freundlicher:
„Haben Sie sich auf dem Weihnachtsmarkt umgesehen, Sir?“
„Ja, ich musste ein paar Geschenke kaufen.“ Seltsamerweise waren seine Hände leer.
Francesca vermutete, solche Besorgungen würde er seiner Dienerschaft überlassen.
Allerdings hielten sich keine Lakaien in seiner Nähe auf.
Nun warf er einen Blick in ihren vollen Einkaufskorb. „Anscheinend waren Sie erfolgreicher als ich, Miss Linden. Bitte, erlauben Sie ...“ Er wollte nach dem Henkel greifen.
„Danke, Sir, so schwer ist der Korb nicht.“
„Trotzdem, als Gentleman ...“ Seine Finger umschlossen den Henkel, dicht neben ihren eigenen.
Da umklammerte sie den Griff noch fester. „Vielen Dank für Ihr Angebot, aber ich komme sehr gut zurecht.“
Lord Holberton ließ den Henkel nicht los.
„Mylord ...“, sagte sie und schaute ihn bedeutungsvoll an.
Nicht im Mindesten irritiert, erwiderte er ihren Blick. Stattdessen funkelte unverhohlene Belustigung in seinen Augen.
Sie musste sich nicht zur Seite wenden, um zu wissen, dass Tom und ihre Schwestern die lächerliche Szene entsetzt beobachteten. Doch das schien Seine Lordschaft kein bisschen zu stören.
Und dann – sie glaubte bereits, sie würden für den restlichen Tag hier stehen bleiben und den Henkel des Korbs festhalten – gab er sich geschlagen. Seine Hand sank hinab. „Wie Sie wünschen, Miss Linden.“
Diesen Kampf hatte sie gewonnen. Aber es war kein erfreulicher Sieg. Sie fühlte sich unvernünftig und bereute ihr brüskes Benehmen – vor allem, als sie Lydias und Sophys Mienen sah.
„Wenn wir jetzt nicht aufbrechen, werden wir die Fähre versäumen“, mahnte Tom.
Sein Blick schweifte zwischen Francesca und Lord Holberton hin und her.
„Natürlich“, stimmte sie zu und biss sich die Lippe. „Gehen wir.“
Sie schaute Jack Holberton nicht mehr an, winkte ihre Schwestern an ihre Seite, und sie verließen den Markt.
Noch nie im Leben hatte sie sich so unmöglich aufgeführt. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie ihre Nerven zu beruhigen. An diesem Ärgernis ist Lord Holberton schuld, dachte sie. Doch sie gestand sich sofort ein, dass dies nicht zutraf. Sie allein musste sich vorwerfen, was geschehen war, niemand anderer. Warum Jack Holberton diese eigenartige Wirkung auf sie ausübte, verstand sie nicht.
Die Fahrt über die Flussmündung dauerte nur zehn Minuten. Wie Francesca fand, eine halbe Ewigkeit ... Viel zu intensiv war ihr Jack Holbertons Nähe bewusst, obwohl er mit Tom sprach.
Ebenso wie ihre Schwestern hörte sie zu, während Seine Lordschaft berichtete, alle Buckleys seien verhaftet worden und würden im Gefängnis auf die Gerichtsverhandlung warten. Wahrscheinlich drohte ihnen die Deportation. Sollte sich allerdings herausstellen, sie hätten den Franzosen britische Geheimnisse verraten, würden sie am Galgen enden. Atemlos hingen Sophy und Lydia an seinen Lippen.
Als sie in Portlemouth von Bord gingen, zeigte er auf eine Kutsche, die in einiger Entfernung auf der anderen Straßenseite wartete. „Es wäre mir ein Vergnügen, Sie alle nach
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