07 - komplett
Kopf und wischte sich die Tränen von den Wangen, ehe sie aufsah. Sein Anblick raubte ihr den Atem, und ihr Mund öffnete sich zu einem stummen „Oh“, denn das tiefe Grau seiner Augen zog sie augenblicklich in seinen Bann. Sein Blick war starr auf ihren Mund gerichtet.
„Mylord?“, stieß sie atemlos hervor.
„Nenn mich Gideon“, berichtigte er sie schroff.
Amelia schluckte schwer, ehe sie seinem Wunsch folgte. „Gideon.“
Er hat wirklich einen wunderschönen Mund, dachte sie fasziniert. Sie konnte den Blick einfach nicht von ihm lösen. Fest und sinnlich zugleich wirkten seine Lippen auf sie. Die Oberlippe war ein wenig voller, was auf ein leidenschaftliches Wesen deutete. Dieses leidenschaftliche Wesen hatte er am vergangenen Abend bereits durchblicken lassen.
Zu gerne hätte sie diese Leidenschaft erlebt. Erforscht. Gekannt. Sie sehnte sich so sehr danach, zu erfahren, wie es sich anfühlte, wenn seine festen und doch sinnlichen Lippen glutvoll die ihren berührten ...
Erschrocken erkannte Gray, dass er sich sofort von ihr lösen musste, denn er stand kurz davor, der Versuchung nachzugeben, den Kopf zu beugen und Amelias volle, leicht geöffnete Lippen mit den seinen gefangen zu nehmen. Er musste umgehend von ihr abrücken, ehe er eine Grenze überschritt, die er nicht überschreiten durfte.
Aber ...
Es gibt immer ein „Aber“, wenn es um diese besondere junge Dame geht, dachte Gray über sich selbst verärgert. Ein Teil von ihm wünschte sich nichts sehnlicher, als alle Skrupel zum Teufel zu schicken und sie zu küssen, sie zu entkleiden, ihren nackten, reizvollen Körper zu erforschen.
Und danach? Was wäre dann? Wie würde sich ihre ohnehin schwierige Beziehung danach gestalten?
Amelia war sein Mündel, eine junge, ledige, kultivierte Dame – keine der erfahrenen oder verheirateten Damen der Gesellschaft, mit denen er sorglos tändeln und gelegentlich auch das Bett teilen konnte, ehe er zur nächsten Eroberung weiterzog.
Kurz gesagt, dass er sich derart zu Amelia Ashford hingezogen fühlte, war riskant!
Höchst riskant!
Es war ein Fehler gewesen, sie am vergangenen Abend in den Armen zu halten, nicht wissend, wer sie war. Aber sie nun zu küssen, wohl wissend, wer sie war, würde einer Katastrophe gleichkommen!
Verflucht, hätte er einen anderen Mann mit seinem Mündel in dieser kompromittierenden Situation vorgefunden, wäre ihm nichts anderes übrig geblieben, als Genugtuung durch ein Duell zu fordern. Oder zu verlangen, dass der Mann Amelia einen Heiratsantrag machte. Er indes hegte weder die Absicht, sich zu duellieren, noch Amelia die Ehe anzutragen.
Abrupt packte er sie an den Schultern und schob sie von sich. Mit enttäuschtem Blick sah sie ihn an, während er sich leicht zur Seite lehnte, um eine angenehmere Position in seinen plötzlich unbequem eng gewordenen Breeches zu finden.
Vielleicht sollte er Lady Stanfords Vorschlag doch in Betracht zu ziehen?
Es war offensichtlich, dass er mit Amelia nicht länger als nötig in diesem Haus allein bleiben durfte. Aber er wollte sie auch nicht sich selbst überlassen, während er in Mulberry Hall weilte. Vielleicht war es tatsächlich das Beste, wenn er Amelia mitnahm.
Nein!
Jede Faser seines Körpers wehrte sich dagegen, Amelia der Familie St Claire vorzustellen. Hawk St Claire, Duke of Stourbridge, wirkte durch seine aristokratisch strengen Gesichtszüge ebenso gut aussehend wie einschüchternd. Lucian St Claire besaß ein grüblerisches Wesen und galt als ebenso attraktiv wie schweigsam.
Außerdem war er einer der Helden von Waterloo. Und Sebastian St Claire, ein charmanter Herzensbrecher vor seiner Hochzeit, war sein engster Freund und Kamerad gewesen, in all diesen Londoner Nächten, in denen er angeblich dem Kartenspiel und den Frauen gefrönt haben sollte.
Die Gemahlinnen der St Claire Brüder gaben nach Grays Meinung auch kein gutes Vorbild für Amelia ab. Jane, die betörend schöne rothaarige Duchess, mit der Hawk seit knapp über einem Jahr verheiratet war, schenkte der Etikette und den Regeln der Gesellschaft wenig Beachtung. Grace, Lucians Gattin, war ebenso willensstark wie bezaubernd. Und Juliet, die überirdisch schöne Witwe, die Sebastian, der größte Frauenheld unter den drei Brüdern, erst vor zwei Monaten überraschend geehelicht hatte, erwartete bereits ein Kind.
Und dann war da noch das jüngste Mitglied der Familie St Claire ...
Arabella, die Schwester der drei St Claire Brüder, war trotz ihrer Ehe
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