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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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sie nun noch einmal und aufmerksamer. Dann reichte er sie Nicole. »Wirf doch da bitte mal einen Blick drauf.«
    Sie nahm die Seite, die verschiedene Meldungen - keine größer als dreispaltig - über ein und denselben Vorfall enthielt. Die Berichte waren alle gestern in Tageszeitungen der USA erschienen. Da die Sache im Bundesstaat Maine passiert war, hatten die dortigen Zeitungen in etwas größerer Aufmachung darüber berichtet als beispielsweise Blätter von der West Coast.
    Nicole zog die Augenbrauen hoch, als sie eine Überschrift las, die ihr besonders ins Auge fiel: DID THE BIG BAD WOLF FINALLY GET LITTLE RED RIDING HOOD?
    »Hat der große böse Wolf das Rotkäppchen endlich erwischt?«, übersetzte sie die seltsame Headline halblaut ins Französische.
    Zamorra grinste knapp. »Immerhin hat der Schreiber mit seiner albernen Schlagzeile eines geschafft - sie weckt Neugier.«
    Nicole nickte, las den zugehörigen Bericht, dann die anderen, und schließlich sah sie Zamorra über den Rand des Blattes hinweg fragend an.
    »Vermutest du etwas Konkretes hinter der Sache?«
    Zamorra hob die Schultern. »Ich bin mir nicht sicher.«
    Die Fakten zwischen den teils reißerischen Worten der Berichte ließen sich recht knapp zusammenfassen: In einem Dorf namens Fly Creek, Maine, war am Freitagabend ein Mädchen ums Leben gekommen, nach Angaben der Polizei durch den Angriff eines Wolfes oder eines Bären. Die Identität der Toten war ungeklärt.
    Auffällig sei ihre Kleidung gewesen, darunter ein rotes Kapuzencape. Deswegen war in den Berichten die Rede von »Little Red Riding Hood«, wie man das Grimmsche »Rotkäppchen« in den Vereinigten Staaten nannte. Und einer der beiden Männer, die das Mädchen in Todesnot hatten schreien hören, war auf ungeklärte Weise verschwunden.
    »Das ist doch alles ziemlich vage«, brachte Nicole die Angelegenheit auf den Punkt und legte den Ausdruck weg.
    Zamorra schwieg mit nachdenklicher Miene.
    »Was macht dich stutzig an der Sache?«, fragte Nicole. »Vermutest du einen Werwolf dahinter?«
    »Das ist es nicht«, antwortete er, »obwohl natürlich die Möglichkeit besteht, keine Frage. Wenn ein Werwolf am Werk war, schiebt man die Schuld nach der Obduktion ja gerne einem an sich harmlosen Tier, das nur zufällig große Fänge im Maul hat, in die Pelzstiefel. Nein, es ist eher das Mädchen selbst. Und der verschwundene Mann natürlich…« Zamorra seufzte. »Oder vielleicht alles zusammen. Ich weiß es nicht genau.«
    »Nur so ein ›komisches Gefühl‹?«, hakte Nicole nach.
    Er nickte. »Nur so ein ›komisches Gefühl‹.«
    »Wann hat dich dein Instinkt zum letzten Mal getäuscht?«
    »Kann mich nicht dran erinnern, muss lange her sein.«
    »Also?«
    »Also - was hältst du von einem Sonntagsausflug ins schöne Maine?«
    Nicole zuckte mit den Schultern. »Ich setze mich an den PC, buche Flüge, kümmere mich darum, dass wir vor Ort einen Leihwagen bekommen, und so weiter - was eine gute Sekretärin, die sich auf ihr Fach versteht, eben so macht.«
    Zamorra lächelte. »Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel. Du bist die Beste - in jedem Fach!« Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. »An der Ostküste ist es sechs Stunden früher, also noch nicht ganz drei Uhr morgens. Mit etwas Glück, günstiger Flugverbindung und staufreien Straßen könnten wir gegen Mittag oder am frühen Nachmittag dortiger Ortszeit in Fly Creek sein.«
    ***
    Carl Parmalees Armbanduhr piepste kurz, aber nervtötend. Er warf einen Blick aufs Leuchtzifferblatt, drei Uhr morgens. Und er hatte noch immer kaum ein Auge zugetan.
    »Verdammt!«, knurrte er und zog sich die Ziegenfelldecke bis zum Kinn hoch.
    Darunter lag er vollständig angezogen, eine doppelläufige Schrotflinte neben sich.
    Sollte er nur kommen, ob's nun der Isegrim war oder Meister Petz! Parmalee war es egal, ob er seinen Schrot einem Wolf oder einem Bären in den Pelz brannte.
    Was in der vorigen Nacht passiert war, gar nicht weit weg, machte Parmalee Kummer, wenn auch keine Angst - bewahre! Er sorgte sich auch nicht um seine eigene Sicherheit, sondern um die seiner Tiere.
    Carl Parmalee betrieb eine Ziegenfarm. Eine kleine, aber feine.
    Umso wichtiger war es, dass weder Wolf noch Bär eines seiner Tiere riss, zumal jetzt, da die im Frühjahr geborenen Zicklein heranwuchsen. Um solche Verluste zu verhindern, hatte sich Parmalee heute nicht drüben im Haus zu seiner Frau Gale ins Bett gelegt, sondern in diesem Schuppen neben den Stallungen

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