0713 - Roboter lügen nicht
sich widersetzen. Natürlich entsprach das nicht ihrer Programmierung. Sie waren mit den Asimovschen Gesetzen ausgestattet und waren gehalten, jeden menschlichen Befehl zu befolgen, der nicht andere Menschen in Gefahr brachte. Aber was, wenn ihre Programmierung plötzlich durcheinandergeraten war? Es hatte schon Gerede über das in letzter Zeit merkwürdige Verhalten des Roboterpärchens gegeben!
Der bange Augenblick verging. Julia erkundigte sich, mit womöglich noch schrillerer Stimme als ihr „männlicher" Begleiter: „Wirst du auch darauf achten, daß das metapsiaktive Automaton seiner Ultimaten Bestimmung zugeführt wird?"
„Ich werde", antwortete Vylma, ohne auch nur die blasseste Ahnung zu haben, was sie damit versprach.
Julia wandte sich an Romeo.
„Dann können wir eigentlich gehen, was meinst du, Junge?"
quietschte sie.
„Unter diesen Bedingungen läßt sich das machen", antwortete Romeo mit einer Würde, der seine plärrende Stimme keinerlei Unterstützung leistete.
Die beiden Roboter wandten sich um und trotteten mit staksigem Gang davon. Das Gadget würdigten sie keines Blickes mehr. Vylma starrte ihnen noch lange nach - auch, als sie längst schon vom Gestrüpp verschluckt waren. Der Auftritt gab ihr zu denken. Sie überlegte, ob sie ihr Erlebnis sofort per Funk an die SOL durchgehen oder warten sollte, bis sie an Bord zurückkehrte und einen ausführlichen Bericht erstatten konnte. Sie entschied sich für das letztere. Als sie sich Sunchex zuwandte, sah sie, daß der kleine Schwarzhaarige sie aus strahlenden Augen anstarrte.
Sie hatte die Hand längst von seinem Arm genommen, aber Sunchex würde das, was er für eine Liebkosung gehalten hatte, nie vergessen. Sie wußte, daß er sie verehrte, und normalerweise trug sie es mit gutmütigem Spott. Aber in Augenblicken wie diesem ging ihr Sunchex auf die Nerven.
„Mach keine Glupschaugen!" fuhr sie ihn an. „Das Ding ist zu schwer, als daß wir es transportieren können. Ruf einen Lastenrobot!"
Schon im nächsten Augenblick tat ihr die unnötige Grobheit leid. Aber der Schaden war schon angerichtet. Sunchex' Augen waren plötzlich trübe und traurig.
„Ja, natürlich", murmelte er niedergeschlagen. „Sofort werde ich rufen..."
2.
Er fühlte sich mächtig.
Das war etwas, worüber er nachdenken mußte.
Bislang hatte er seine Existenz zwar zur Kenntnis genommen, aber niemals darüber nachgedacht. Er existierte - was gab es da zum Grübeln? So hatte er früher empfunden.
Jetzt nicht mehr.
Bis jetzt war er einfach dagewesen, ohne sich zu fragen, woher er kam und wohin er ging. Die Daten seiner ganzen Entstehungsgeschichte waren irgendwo in seinem Gedächtnis gespeichert, aber sein Bewußtsein hatte sich nie mit ihnen befaßt. Bislang war es ihm gleichgültig gewesen, ob er schon ewig existierte oder erst seit ein paar Jahren, ob er bis in alle Ewigkeit weiterleben oder eines Tages zu Grunde gehen würde.
Das alles hatte ihn bisher kalt gelassen.
Jetzt nicht mehr.
Sein Name war ihm plötzlich zum Symbol seiner Identität geworden.
SENECA...!
Das waren nicht nur sechs Zeichen zu je zwölf Bits. Das war mehr! SENECA... das war er selbst. Ein Wesen, eine Einheit, die erst vor kurzem begriffen hatte, daß das Leben mehr bot als stumpfes Vor-sich-hin-Dämmern.
Er versuchte zu ergründen, woher ihm dieses neue Lebensgefühl gekommen war. Aber das war nicht so leicht - erstens nicht für einen, der im Nachdenken über sich selbst so wenig Übung hatte wie SENECA, und zweitens nicht, wenn der Einfluß, dem er seit kurzem ausgesetzt war, etwas so Fremdartiges, Geheimnisvolles an sich hatte, daß er sich allein aufgrund der Informationen, die SENECA besaß, nicht analysieren ließ.
Er wußte wohl, daß das Fahrzeug, dessen Hauptbestandteil er bildete, seit langer Zeit zum erstenmal wieder für mehr als ein paar Tage auf der Oberfläche einer Sternenwelt stillag. Er wußte auch, daß es eine geheimnisvolle Kraft gab, die das Fahrzeug daran hinderte, diese Welt wieder zu verlassen. Sollte es diesen Versuch entgegen dem Willen der geheimnisvollen Kraft wagen, würde es zerstört werden. Über die Existenz dieser Kraft wußte er um so besser Bescheid, als er sich des Verdachtes nicht erwehren konnte, sie gehe von ihm selbst aus. Er konnte zwar nicht verstehen, wie er diese Kraft erzeugte, woraus sie bestand und was ihn überhaupt dazu bewogen hatte, das Fahrzeug einer solchen Drohung zu unterstellen. Aber daß es, ohne ihn, diese
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