0718 - Tango Fatal
fliehende Frau erinnerte mich in ihrem hellen Kleid an einen in der Luft wehenden und dicht über dem Boden tanzenden Lappen, der von zwei Beinen getragen wurde.
Sie war flink, sie wollte in ihre Welt fliehen und mich allein kämpfen lassen.
Ich schoß hinter ihr her!
Natürlich nicht in Ramonas Rücken. Ich hatte auf einen der Spiegel gezielt. Und mein geweihtes Silbergeschoß klatschte hinein. Es hörte sich an, als hätte jemand mit der Faust auf ein dickes Kissen geschlagen.
Der Spiegel zerbrach.
Nicht in tausend Scherben und auch nicht von einem hellen Klirren begleitet, er bekam ein schrilles Muster, er riß an den Nahtstellen wie einfacher Stoff entzwei, aber das war nicht alles.
Grauer Qualm, der sich freie Bahn verschafft. Gesichter und Gestalten zeichneten sich darin ab.
Geistwesen aus Beelzebubs Reich.
Auf mich wölkte der Qualm in breiter Front zu. Er nahm mir die Sicht auf die meisten Spiegel. Aus seinem Zentrum hörte ich ein Jammern und Jaulen.
Ich holte das Kreuz hervor.
Die Beretta hielt ich in der rechten Hand, das Kreuz nahm ich in die linke.
Ich wollte mich dem verdammten Nebel stellen, denn mir fiel der Vergleich mit dem Todesnebel ein, der es schaffte, Menschen die Haut vom Körper zu lösen und sie zu Skeletten zu machen.
Nur mit meinem Kreuz konnte ich den Nebel stoppen.
Auch hier?
Längst hatte es sich in meiner Hand erwärmt. Es spürte genau die Aura des Bösen, aber es wurde nicht so heiß, als daß es mir die Haut hätte verbrannt.
Der Nebel rollte weiter vor.
Ein lautloses Fließen. Dampf auf dunklem Boden. Unheimlich und noch immer mit tanzenden Gesichtern und Gestalten gefüllt.
Ich lief ihm entgegen.
Zuerst berührte mein Kreuz die Wolken, und in meiner Hand strahlte es auf.
Nein, es flog nicht auseinander, auch wenn es so aussah. Der Nebel aber wurde zerrissen. Mein Kreuz raubte ihm seine magische Kraft. Es vernichtete die Helfer des Beelzebub, die diesen geisterhaften Nebel beherrschten.
Ich brauchte nichts weiter zu tun, und sehr schnell war er zerrissen und verschwunden.
Freie Sicht!
Elf Spiegel waren noch vorhanden. Der zwölfte besaß keine Fläche mehr, nur den dünnen Rahmen, auf dem die kleinen Lampen glühten. Der erste Sieg hatte mir den Weg gewiesen. Wenn ich noch elfmal schoß, war die Sache erledigt.
War sie tatsächlich so einfach?
Ich glaubte nicht daran. Zudem war Ramona Sanchez verschwunden. Und daß sie noch nicht aufgegeben hatte, war mir längst klargeworden. Sie würde lauern, abwarten und dann zuschlagen.
Getreu dem Motto ihres Götzen.
Ich drehte den Kopf nach links, weil mir eingefallen war, daß ich ungefähr dort das Gesicht des alten Sanchez gesehen hatte.
Auch jetzt war es noch da.
Eine bleiche Fratze mit dunklen Linien in der Haut. Mit struppigen Haaren, die aussahen wie Plasma. Ich ging auf ihn zu.
Je näher ich an den Spiegel herankam, um so mehr veränderte sich das Gesicht.
Das Geistwesen, das zweite Ich des Toten, die aus dem Körper ausgetretene Seele mußte genau wissen, daß nun jemand zu ihm kam, der verdammt stark war.
Stärker als er.
Der weit geöffnete Mund in seiner starren Fratze bewegte sich. Es waren ungewöhnliche Bewegungen, kein Auf- oder Zuklappen, sondern stumme Worte, die er sicherlich zu einem Satz der Hilfe formulierte. Der wiederum galt seinem Herrn und Meister.
Aber Beelzebub griff nicht ein.
Und das Gesicht war gefangen.
Es steckte im Spiegel und doch in einer anderen Welt, die ich mit meinem Kreuz attackierte.
Ich hatte schon öfter erlebt, daß Spiegel Tore in andere Welten waren. Auch hier schloß ich es nicht aus, aber ich fiel nicht hinein in eine andere Dimension. Das Reich der Geister verschonte mich, ich war für diese Welt eine Unperson.
Unter dem Kreuz merkte ich sehr wohl den Widerstand der Spiegelfläche. Und der blieb auch, kein Weg führte hindurch.
Ich sah ihn schreien, ich hörte ihn aber nicht.
Wieder stimmte hier der Vergleich mit einem stummen Schrei. Alles in der bleichen Totenfratze war Entsetzen, war Angst und war das Wissen, es nicht zu schaffen.
Innerhalb der Fläche entstand ein Sog. Hören konnte ich ihn nicht, nur sehen.
Von den erleuchteten Rändern angefangen, bewegte sich die Luft in einem wahren Wirbel auf die Innenfläche des Spiegels zu.
Sie war einfach nicht aufzuhalten. Die durch mein Kreuz geweckten und auch veränderten Kräfte jagten dem Gesicht entgegen. Sie trieben hinein wie Speere, sie beulten es aus, als bestünde die Haut allein aus einer
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