0913 - Das Erbe der schwarzen Flammen
Nicole Duval sehnte den ersten Sonnenstrahl herbei.
In dieser Nacht hatte sie kaum geschlafen, auch wenn sie es ernsthaft versucht hatte. Sie würde jeden Fetzen ihrer Kraft brauchen, denn niemand wusste so genau, was nun geschehen mochte. Eines war sicher - leicht würde es nicht werden.
Der Plan der Herrscher war angelaufen. Ausgehend von den acht Knotenwelten hatte das Weltennetz seinen Anfang gefunden. Maiisaro, die verbannte Herrscherin, und Zamorra waren zur Welt der Herrscher gegangen, denn sie mussten einfach noch einmal versuchen, diese umzustimmen. Wenn das Netz endgültig geknüpft war, dann würde Dunkelheit und Chaos auf allen Welten herrschen, die keine weißen Städte trugen.
Artimus van Zant, der Krieger der weißen Stadt Armakath, die in der Hölle lag, war verschwunden - damit hatte im Prinzip alles begonnen, denn das war der Gongschlag, den Professor Zamorra und sein Team befürchtet hatten. Artimus war zu dem Bindeglied zwischen Hölle und Erde bestimmt worden. Er hatte keine Chance gehabt, sich zu verweigern. Die Verbindung bestand aus einem intensiven Lichtstrahl, der nicht viel dicker als ein Arm war - und der traf die Erde in den Kellergewölben der alten Südstaatenvilla, die als Hauptsitz von no tears fungierte, dem Hilfsfond, den van Zant gegründet hatte, um hilflosen und von Gewalt bedrohten Kindern eine neue Heimat zu werden.
Allen war klar, dass nur van Zant selbst intuitiv diesen speziellen Ort gewählt haben konnte.
Der Strahl hatte sich seinen Weg durch die Villa gesucht, war immer weiter in die Höhe geschossen, bis er die Wolken durchlagen hatte. Aber es kam noch schlimmer, denn Armakath drängte nun auf die Erde. Die Stadt wollte sich neues Territorium erschließen. Mit Mühe hatte Nicole das zu verhindern gewusst, doch dann gab sie erschöpft auf. In wirklich letzter Sekunde war der Uskuge Dalius Laertes erschienen, der mit seiner ganz speziellen Art der Magie den Boden unter no tears versiegelt hatte. Das war kein dauerhafter Schutz, doch zumindest ein vorläufig wirksamer.
Nicole, Rola DiBurn - van Zants Lebensgefährtin - und die Kinder von no tears hatten Schutz und Unterkunft bei Robert Tendyke gefunden. Und nun endete die erste Nacht für sie alle in Tendyke's Home .
Nicole wandte sich vom Fenster weg, als sie von der Tür her ein Geräusch vernahm. Es war Rola DiBurn, die kleine schwarzhaarige Frau, die ihre Haarpracht meist in zwei Zöpfen bändigte. Sie wirkte unausgeruht, nervös. Kein Wunder, denn sie musste davon ausgehen, dass ihr Lebenspartner Artimus van Zant seine ursprüngliche Daseinsform hatte aufgeben müssen. Er existierte sicher noch, denn sonst hätte Armakath nicht so erfolgreich den Plan anstoßen können, doch war er noch… menschlich?
Rola weigerte sich, das alles als gegeben zu akzeptieren. Es musste einfach einen Weg geben, der Artimus wieder zu dem machen konnte, was er einmal gewesen war: Ein gutmütiger Teddybär, ein Segen für die Kinder von no tears , ein erfolgreicher Physiker und genialer Tüftler, der selbst vor Alien-Technik nicht zurückschreckte. Und ein liebevoller Lebensgefährte…
Sie würde nicht aufgeben daran zu glauben. Die Hoffnung stirbt zuletzt, so sagte man, doch bis zu diesem Moment wollte Rola es gar nicht erst nicht kommen lassen. Wortlos schob Nicole ihr eine Tasse Kaffee herüber. Das Gebräu war dermaßen stark, dass selbst Rola, die ähnliche Angriffe auf ihre Gesundheit von Artimus gewohnt war, heftig schlucken musste. Nicole war wohl der Portionslöffel ausgerutscht. Rola konnte es ihr nicht verübeln, denn sie sorgte sich um den Professor kaum weniger als sie selbst.
Schweigsam saßen die beiden Frauen sich gegenüber. Alles was gesagt werden musste und konnte, war am gestrigen Abend besprochen worden. Sie waren macht- und hilflos. Sie mussten warten, bis man sie - wie Schachfiguren - ins Spiel brachte. Denn der Strahl machte die Erde zwar zu etwas wie dem Teil einer Knotenwelt, doch die Entscheidung über schwarz oder weiß, Gut und Böse… über Chaos oder Ordnung, die fiel nicht hier, sondern auf der Herrscherwelt. Zu der hatten die beiden Frauen keinen Zugang, ja, sie hatten nicht einmal die Möglichkeit in deren Nähe zu gelangen.
Nicole Duval hatte in dieser langen Nacht alle Möglichkeiten im Kopf durchgespielt, alle Chancen abgewogen, von sich aus einzugreifen. Sie hatte sich eingestehen müssen, dass es keine gab. Warten - und noch dazu untätiges Warten, das war noch nie ihr Ding gewesen.
Doch
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