073 - Der Gehenkte von Dartmoor
Hollister.
Larry Brent
merkte, wie der Inspektor neben ihn trat und mit seinen Fingern das Fleisch im
Nacken etwas zusammenzog. Dann spürte er den Einstich. Seinen Körper
durchfluteten rasch hintereinander mehrere heiße Schauer. Seine starr
geöffneten Augen begannen zu brennen, und Speichel schoß in seinen Mund. Der
Starrkrampf wich innerhalb weniger Sekunden von ihm. Unwillkürlich knickte er
etwas in den Knien ein, aber die Ketten an den Händen und Füßen hielten ihn
aufrecht.
Inspektor
Hollister war inzwischen zu Sir Charles getreten. Einige Augenblicke später
hörte Larry Brent die hustende Stimme des alten Mannes: »Ihr Schurken! Ihr
wahnsinnigen Schurken! Das werde ich euch heimzahlen!«
George
Simpson lächelte und sagte mit sanfter Stimme: »Sir Charles vermögen die Lage
offenbar noch immer nicht präzis zu erkennen. Und was haben Sie zu sagen, Mr.
Brent?«
X-RAY-3 sah
schweigend über ihn hinweg. Sein Blick schweifte durch den Raum. Er war
einigermaßen wohnlich mit Tischen, Stühlen und Pritschen ausgestattet. In der
einen Ecke stand ein großer elektrischer Ofen, ihm gegenüber ein offener Spind,
in dem Larry Brent ein kleines Waffenarsenal erkannte. Zwischen beiden gähnte
eine Tür und der Beginn eines dunklen, ausgebauten Ganges.
Außer Sir
Charles und ihm befanden sich noch sieben Menschen in dem Raum: die
Krankenschwester Angelique, die nun ganz aus ihrer Vermummung geschlüpft war,
der Antiquitätenhändler George Simpson, sein Teilhaber Mr. Martin, der damit
beschäftigt war, einige Kisten und Reisekoffer nebeneinanderzustellen, der
Gärtner und die zwei ihm nicht bekannte Männer.
Der siebte
war wie er und Sir Charles an die Wand gekettet, ein junger Bursche, der
vornüber in seinen Ketten hing und offenbar unter dem Einfluß von Drogen stand.
Das schwarze Haar hing ihm wirr in die Stirn.
Im übrigen
bemerkte Larry Brent, daß nun auch Sir Charles schlaff in seinen Ketten hing
und die Augen geschlossen hielt. Offensichtlich war er ohnmächtig geworden.
Die Frau war
seinen Blicken gefolgt.
»Sicher
wollen Sie wissen, Mr. Brent, wer das ist. Aber Sie werden es sich denken
können.
Ja, das ist
der Gärtnergehilfe Jackson. Wir befürchteten, daß er uns verraten könnte,
nachdem ihm das Malheur mit dem Ring passiert war, der Sie auf unsere Spur
brachte. Wir mußten ihn ausschalten! Er ist praktisch so wie Sie und Sir
Charles zum Tod verurteilt! Übrigens, ich muß mich Ihnen ja noch vorstellen.
Sie kennen mich nur als Schwester Angelique. Aber ich bin Mrs. Simpson. Meinen
Mann kennen Sie ja schon…«
In diesem
Augenblick ertönte ein feiner, durchdringender Summton. Simpson hob die Hand:
»Es kommt
jemand. Vielleicht ist es Mills, der den Chiefinspektor erledigt hat. Nein, er
ist es nicht, es ist Mr. Jonathan. Ah, und der Professor!«
Die stählerne
Tür hatte sich seitwärts geöffnet. In dem Lift stand der hünenhafte Jonathan,
den Koks auf dem Kopf. An der Hand hielt er den Professor. Sie traten in den
Raum. Die Stahltür schloß sich wieder.
»Bravo!« Mrs.
Simpson klatschte in die Hände. »War es schwierig, ihn wiederzuholen?«
Jonathan
zuckte mit den Achseln.
»Haben Sie
daran gezweifelt, Madame, daß ich das fertigbringe? Die Gangster im anderen
Bahnhof sind sehr unruhig. Ihre Verstärkung aus London ist ausgeblieben.«
»Dank unseres
prächtigen Inspektors!« Die Frau warf Hollister einen anerkennenden Blick zu.
»… und sie
versuchten, mit dem Wagen aus dem Bahnhof auszubrechen«, fuhr Jonathan fort, »aber
die Polizisten begannen zu schießen und jagten sie in den Bahnhof zurück.
Inzwischen war ich zum Bahnsteig vorgedrungen, nahm den Professor an die Hand,
und da ist er! Aber jetzt brauche ich einen Whisky!«
»Ich auch,
ich auch!« krächzte der Professor, und seine mageren Hände begannen zu
flattern.
George
Simpson öffnete eine Schranktür, holte eine Flasche mit Gläsern heraus und
schob sie auf dem Tisch zu Jonathan hinüber: »Gib mir auch einen!« Dann wandte
er sich zu X-RAY-3.
»Dem
Professor verdanken wir alles, müssen Sie wissen, Brent. Sein Leben lang hat er
sich mit dem Dartmoor befaßt und mit seinem Zuchthaus. Und als er schon senil
geworden war, da machte er seine größte Entdeckung. In der Schloßbibliothek von
Parkinson Hall. Da stieß er auf die längst verschollenen Memoiren eines
französischen Obersten namens Malmaison.«
Bei Nennung
des Namens sah der Professor von seinem Glas auf; in seine müden Augen kam
etwas Glanz. Er hob
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