Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
Prolog
    Stille herrschte in der riesigen, nur schwach erleuchteten Halle, dem Großen Hörsaal des Taktiklehrgangs für Fortgeschrittene. Er konnte sich rühmen, den zweitgrößten Holotank der Royal Manticoran Navy zu besitzen, und die wie in einem Amphitheater angeordneten Sitzreihen boten mehr als zweitausend Menschen Platz, doch im Augenblick saßen nur siebenunddreißig dort und betrachteten aufmerksam den Tank. Die prominentesten darunter waren Admiral Sir Luden Cortez, der Fünfte Raumlord, und die Ehrenwerte Vizeadmiral Alyce Cordwainer, Judge Advocate General, die Chefin des Militärjustizwesens der RMN. In der holographischen Darstellung schwebte das Bild einer hochgewachsenen Frau mit entschlossenen, wie gemeißelt wirkenden Gesichtszügen. Sie saß aufrecht und mit verspannten Schultern auf ihrem Stuhl, die Hände hatte sie auf der Tischplatte vor sich übereinandergelegt. Neben den Händen lag das weiße Barett der Sternenschiffkommandanten. Die Frau trug eine weltraumschwarze Uniformjacke mit den goldenen Planeten eines Captain Senior Grade, und als sie direkt in die HD-Kamera blickte, verriet ihr Gesicht nicht die leiseste Regung.
    »Und was genau geschah nach der letzten Kursänderung der Kampfgruppe, Captain Harrington?« Die Frage wurde von jemandem außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera gestellt, und ein blutroter Untertitel identifizierte den Fragenden als Commodore Vincent Capra, den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, auf dessen Empfehlung man sich an diesem Tage im Hörsaal des TLF versammelt hatte.
    »Der Feind änderte den Kurs, um uns zu verfolgen, Sir.« Captain Harringtons Sopranstimme war für eine Frau ihrer Größe überraschend angenehm und leise, und dennoch war sie sehr kühl und klang fast unbeteiligt.
    »Und die taktische Situation?« wollte Capra wissen.
    »Die Kampfgruppe lag unter schwerem Beschuß, Sir«, antwortete Harrington wie ohne persönliche Beteiligung. »Ich glaube, die Circe wurde im Augenblick der Kursänderung vernichtet, die Agamemnon etwa fünf Minuten später. Mehrere unserer Einheiten erlitten sowohl schwere Schäden als auch erhebliche Verluste.«
    »Würden Sie die Lage als verzweifelt bezeichnen, Captain?«
    »Ich würde sie als – ernst bezeichnen, Sir«, gab Harrington nach kurzem Bedenken zur Antwort.
    Ein kurzes Schweigen folgte, als wartete der unsichtbare Fragesteller darauf, daß sie noch etwas hinzufügte. Doch Harringtons unbeteiligte Ruhe war offenbar undurchdringlich, und Commodore Capra seufzte.
    »Nun gut, Captain Harrington. Die Lage war ›ernst‹. Der Feind hatte den Kurs geändert, um Sie zu verfolgen, und die Agamemnon war zerstört worden. Befanden Sie sich zu diesem Zeitpunkt in Kontakt mit der Flaggbrücke der Nike und mit Admiral Sarnow?«
    »Jawohl, Sir, das trifft zu.«
    »Und zu dieser Zeit beabsichtigte Admiral Sarnow, der Kampfgruppe den Befehl zum Ausschwärmen zu erteilen?«
    »Ich vermute, daß dies in seiner Absicht lag, Sir. Wenn ja, so wurde er daran gehindert, bevor er den Befehl erteilen konnte.«
    »Und wodurch wurde er daran gehindert, Captain?«
    »Von einer Meldung unseres Sensorennetzes, Sir. Die Plattformen hatten die Ankunft der Dreadnoughts von Admiral Danislav erfaßt.«
    »Ich verstehe. Hat Admiral Sarnow der Kampfgruppe daraufhin befohlen, nicht auszuschwärmen?«
    »Nein, Sir. Er wurde verwundet, bevor er einen weiteren Befehl erteilen konnte«, antwortete die ruhige Sopranstimme unbewegt.
    »Und wodurch wurde er verwundet, Captain? Würden Sie uns Auskunft über die näheren Umstände erteilen?«
    Die scheinbar körperlose Stimme klang nun fast gereizt, als wäre sie von Harringtons klinisch kühler Geschäftsmäßigkeit frustriert.
    »Die Nike erhielt mehrere Treffer durch feindlichen Beschuß, Sir. Einer dieser Treffer schaltete Beiboothangar Eins, die Operationszentrale und die Flaggbrücke aus. Mehrere Angehörige von Admiral Sarnows Stab wurden getötet, er selbst schwerverwundet.«
    »Fiel er in Bewußtlosigkeit?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und übertrugen Sie als seine Flaggkommandantin den Befehl über die Kampfgruppe an den dienstältesten Offizier?«
    »Nein, Sir, das tat ich nicht.«
    »Sie behielten das Kommando?«
    Harrington nickte wortlos.
    »Wieso das, Captain?«
    »Nach meiner Einschätzung war unsere taktische Lage zu ernst, um eine Verwirrung in der Befehlskette zu riskieren, Sir. Ich befand mich im Besitz von Informationen – nämlich über die Ankunft von Admiral Danislav –, die

Weitere Kostenlose Bücher