0795 - Vater, Mutter, Satanskind
langen und tiefen Schlaf erwacht war.
Sie brauchte den Kopf nur anzuheben und die Augen zu öffnen, um mich anzusehen.
Ich stellte fest, dass sie sehr schöne, dunkle Augen hatte. In den Pupillen lag ein rätselhaftes Schimmern, und den Mund schmückte ein Lächeln.
Für mich war dies ein positives Zeichen. Also lächelte ich zurück und konzentrierte mich dann auf die männliche Person, weil ich auch von ihr eine Reaktion erwartete. Bei ihm tat sich nichts. Er veränderte seine Haltung nicht.
»Das Kind?«
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Frau hatte mich verstanden. Sie redete in meiner Sprache. Oder bildete ich mir das ein? War die Welt außerhalb unserer Dimension so geartet, dass hier jeder jeden verstehen konnte, obwohl unermessliche Weiten Trennungen bildeten?
Ich nickte ihr zu. »Ja, das Kind. Es ist verschwunden, ich bin ihm nachgeeilt.«
»Unser Kind!«
Diesmal erstarrte auch ich, weil ich mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte. Etwas rieselte in meinem Innern von oben nach unten, und ich fragte mich, ob ich Glück gehabt hatte oder alles einer Fügung verdankte.
»Ja, euer Kind«, flüsterte ich.
»Wo ist es?«
Ich hob die Schultern. »Es tut mir sehr Leid, aber ich habe es verloren. Ich bin ihm gefolgt, und es hätte eigentlich hier sein müssen, aber es ist woanders. Ich habe wirklich keine Ahnung…« Die Stimme versagte mir, weil ich plötzlich das Wasser in den Augen der Frau sah. Sie fing an zu weinen, und es war ein Weinen der Trauer.
Dabei senkte sie den Kopf, um ihn gegen die Schulter des Mannes zu lehnen, der endlich aus seiner Starre erwachte und beide Arme um ihre Hüfte legte. Dabei brachte er seine Lippen dicht an ihr Ohr, flüsterte ihr etwas zu, das ich jedoch nicht verstehen konnte.
Es war nicht zu erkennen, ob die Frau zuhörte oder nicht, jedenfalls weinte sie weiter, schüttelte schließlich den Kopf, stöhnte auf und wischte die Tränen ab.
Von nun an sah ich auch die Blicke des Mannes auf mich gerichtet.
Er hatte ebenso schwarzes Haar wie die Frau, ein markantes Gesicht mit schmalen Lippen und dunklen Augen. Beide erschienen mir wie Bruder und Schwester.
Aber hätten sie dann ein Kind gehabt?
»Wer bist du«?, fragte mich der Mann.
»Ich heiße John Sinclair.«
Er nickte nur.
Ich wollte mehr wissen und fragte deshalb: »Habt ihr auch Namen?«
»Ja«, sagte der Mann. »Ich heiße Darius.« Dann ließ er die Hände über die Schultern seiner Frau gleiten. »Das ist Delia, und unsere Tochter heißt Pamela.«
Irgendwo war ich froh, mehr zu wissen. Ich hatte beinahe schon den Glauben an gewisse Dinge verloren, und es gelang mir sogar, mich für einen Moment zu entspannen.
Das Nennen der Namen hatte der Atmosphäre etwas von ihrer Unpersönlichkeit und Fremdheit genommen. Zudem waren die Worte nicht feindlich ausgestoßen worden. Ich hatte das Interesse der beiden erweckt, denn sie schauten mich auffordernd an, wobei ich instinktiv wusste, dass ich ihnen nicht helfen konnte, welche Forderung oder Frage sie auch immer an mich stellten.
»Du hast Pamela gesehen, nicht wahr?«
»Sicher, das habe ich.«
»Wo war es?«
»In meiner Welt…«
Darius schien meinen Worten nachzulauschen. Sein und auch das Gesicht seiner Frau veränderten sich dabei, als würden sie überlegen, welche Welt das wohl sein könnte. Eine Welt, die sie kannten, aber längst vergessen hatten. Das alles spielte sich in meiner Fantasie ab, wobei ich gleichzeitig dachte, dass aus dieser Fantasie sehr wohl Realität werden konnte.
»Deine Welt war auch mal die unsere.«
Na also, da hatte ich es. Über meine Lippen huschte ein Lächeln.
So kamen wir uns allmählich näher. »Aber ihr habt eure Welt verlassen und lebt hier. Es kommt mir vor, als hätte man euch verstoßen, als wärt ihr zu Gefangenen geworden…«
Beide schauten sich nach meiner Vermutung an, und ich sah das Einverständnis in ihren Augen, was mir wiederum gut tat und weiterhalf. »Ihr seid also Gefangene?«
»Nicht direkt«, flüsterte Delia und schaute dabei zu Boden. »Wir sind Ausgestoßene, wir sind Verfemte…«
»Aus meiner oder aus eurer Welt?«, fragte ich nach.
»Das nicht«, murmelte Darius. »Es ist eine andere Welt gewesen, und kaum jemand kennt sie. Aber ich will dir ihren Namen nennen, vielleicht bist du eine Ausnahme.«
»Lass mich raten.«
Erstaunt schaute er mich an. »Bitte.«
»War es Aibon?«
Pause – Stille. Dann ihr gleichzeitiges Atmen und die leise Stimme der Frau danach. »Ja, es ist Aibon
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