0795 - Vater, Mutter, Satanskind
Schreie?
Wahrscheinlich beides, denn ich dachte an die Greise und Greisinnen, die ein Feuer wie dieses nicht überstehen konnten. Wer von Crowleys Dienern nicht schon gestorben war, würde zu einem Raub der Flammen werden. Ich konnte keinem mehr helfen.
Zudem wurde es für mich Zeit, das Hotel so schnell wie möglich zu verlassen. Als ich über die Außentreppe rannte, hatte ich das Gefühl, der Hölle entwischt zu sein…
***
Lichterloh brannte das alte Hotel!
Es gab eine schaurige Kulisse aus dichtem Qualm und intensiv roten Flammen ab. Über dem Brandherd verteilte sich der Rauch, als wollte er den Himmel und die Wolken fressen.
Aus dem Ort waren die Menschen zusammengelaufen, um Zeugen zu werden, wie ein Stück böser Geschichte vernichtet wurde.
Nicht wenige standen da, schlugen Kreuzzeichen oder beteten.
Für sie sah es so aus, als hätte die Hölle eine Niederlage erlitten.
Ich dachte anders darüber, denn der Geist eines gewissen Aleister Crowley hatte es trotz allem geschafft, auch wenn das Kind in unserem Sinne gerettet worden war.
Pamela lag auf den Armen ihres Vaters, der ebenso wie wir in die Flammen starrte und zuschaute, wie das Feuer dieses alte Hotel von innen her regelrecht zertrümmerte. Immer wenn Balken zusammenbrachen und in die schon bestehenden Reste hineinfielen, jagten wahre Wellen aus Glutstücken durch den fetten, schwarzen Rauch in die Höhe. Geschwärzt waren auch unsere Gesichter, allerdings leuchteten die Augen, und als ich Harry Stahl lächeln sah, da nickte ich ihm zu.
Er blieb neben mir stehen. »Du bist nicht zufrieden – oder?«
»Nicht ganz.«
»Was es hier noch zu erledigen gibt, darum muss ich mich kümmern. Aber was stört dich? Die Familie?«
»Nicht direkt.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie hier eine Heimat findet. Sie müssen eben noch viel lernen.«
»Sie sind nicht zu beneiden.«
»Stimmt, John, aber du auch nicht.« Ich schrak zusammen, als plötzlich die Eingangstür zu einem wahren Flammenmeer wurde.
Sie kam mir vor wie ein feuriger Vogel, als die Kraft sie aus den Angeln riss und uns entgegenschleuderte. Das lag nicht allein am Feuer. In diesen zusammenstürzenden Mauern tobten Kräfte, die ich nicht kontrollieren konnte. Schon immer hatten sie in den düsteren Kellern und Gängen gelauert, jetzt brachen sie noch einmal hervor, um letztendlich zu verpuffen. Ich drehte mich um. Dann ging ich weg. Dabei drehte ich den Flammen den Rücken zu und wurde noch wenige Schritte von ihrem zuckenden Muster begleitet. Als ich einen Stein fand, setzte ich mich nieder und starrte hinein in das winterlich leere Land. Ich fühlte mich erschöpft und gleichzeitig wie aufgeputscht, und ich wusste auch, dass der Kampf weitergehen würde. Mit noch schlimmeren und neuen Gegnern, in allen Variationen und…
Meine Gedanken brachen ab.
Ich drehte mich um, weil ich Schritte gehört hatte. Die Familie aus Aibon war zu mir gekommen. Delia, Darius und auch Pamela lächelten. Vater, Mutter, Satanskind?
Nein, das Kind war der Hölle nicht gegönnt worden. Und einen kleinen Teil hatte ich auch dazu beigetragen. Dies wiederum neigte die Waage zur anderen Seite und gab mir trotz allem ein positives Gefühl…
ENDE des Zweiteilers
[1] Siehe John Sinclair Nr. 794 »Das Zauber-Zimmer«
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