0813 - Warten auf den Todesstoß
Gesicht bekommen hatte. Die kleine Lampe trug ich immer bei mir.
Corilon schaute mir zu, als ich sie hervorholte. Er warnte mich nicht, er sagte kein Wort, kam nur einen Schritt näher heran und ließ mich in den Kamin hineinleuchten.
Scharf stach der Strahl in die Höhe. Die Dunkelheit wirkte wie mit einem hellen Messer zerschnitten.
Gab es ein Ziel?
In diesem Augenblick konnte ich an keine Antwort mehr denken.
Plötzlich brandete die Hölle auf. Über mir hörte ich ein gewaltiges Getöse, und dann fielen die Monstren wie Lappen auf mich herab…
***
Ich wusste nicht, weshalb der Sergeant schrie, ich hätte mehr Gründe dafür gehabt, denn der Überfall hatte mich überrascht. Blutgierige Bestien waren den Kamin hinabgerutscht, sie schwappten wie eine Welle über mich hinweg, sie flatterten mit ihren Flügeln, sie steckten voller Hektik, und sie wollten zubeißen.
Die eine oder andere Fledermaus mochte es auch schaffen, die meisten wehrte ich ab. Mit Dreschflegel-Armen schlug ich nach ihnen, verschaffte mir etwas Luft. Die übrigen flatterten blutgierig durch den Raum. Wir hatten sie wohl aufgeschreckt, sie suchten nach einem neuen Platz und Ruhe.
Ich hatte mich geduckt. Mit zwei, drei Schritten erreichte ich die Seitenwand, den Kopf durch meine darüber gelegten Arme geschützt. Vinc Conlon hatte den alten Bahnhof bereits verlassen. Ich hörte ihn draußen schreien, wusste aber nicht, ob er von den blutgierigen Lappenfliegern verfolgt wurde.
Sie zuckten vor mir hin und her – und sie griffen an.
Sie waren bösartig.
Ich hatte plötzlich alle Hände voll zu tun, um mich ihrer zu erwehren. Immer wieder schlug ich sie, dann wurden sie auch zu Boden geschleudert, aber sie kamen schnell wieder hoch. So musste ich sie schon zertreten oder zerstampfen, wenn ich sie los sein wollte. Es waren kleine Killer mit spitzen Zähnen, eigentlich harmlos, wenn sie in Ruhe gelassen wurden. Ich musste sie aggressiv gemacht haben, denn sie ließen einfach nicht von mir ab. So viele konnte ich nicht zertreten, einige Bisswunden hatten sie mir schon zugefügt, und ich entschloss mich zu einem geordneten Rückzug. Es war eigentlich eine Flucht.
Sie flatterten hinter mir her ins Freie, hatten dort mehr Platz und ließen auch von mir ab, denn sie hatten ein neues Ziel gefunden. Der Reihe nach verschwanden sie im Kamin.
Ich ließ die Arme sinken und schaute mich um. Keine Fledermaus war mehr zu sehen, jedenfalls keine lebende. Dann schaute ich mich an. Ich sah ziemlich ramponiert aus. Die Fledermäuse hatten meine Kleidung zerfetzt, aber damit konnte ich leben. Auch mit den Kratzern an den Handgelenken. Die beiden im Nacken waren ebenfalls nicht weiter tragisch.
Außerdem hatte ich sie aufgeschreckt, da suchten sie schon nach einem Sündenbock.
Wenn das Horror war, dann blieb mir nur übrig, darüber zu lächeln, aber es war der Anfang, das wusste ich genau. Ich hörte einen Ruf und drehte mich um.
Vinc Conlon stand auf den Schienen und winkte mir zu. Er hatte eine ziemlich weite Strecke zwischen die angreifenden Fledermäuse und sich gebracht. Jetzt traute er sich wieder näher und winkte dabei mit beiden Händen.
Ich wartete auf ihn auf dem ehemaligen Gehsteig. Sein Gesicht zeigte keine Begeisterung, als er neben mir stehen blieb. Er hatte eher ein schlechtes Gewissen.
»Das wusste ich nicht, Mister Sinclair. Ich konnte nicht ahnen, dass diese Fledermäuse plötzlich…«
»Schon gut.« Ich grinste locker. »Mir ist ja kein Stein auf den Kopf gefallen.«
»Das nicht, aber…«
»Sie brauchen sich wirklich keine Gedanken zu machen, mein Lieber. Fledermäuse sind gar nicht so selten, wie man annimmt. Sie leben noch überall, und dieser Kamin war ideal für sie. Beim nächsten Mal werde ich besser Acht geben.«
»Was haben Sie denn vor, Mister Sinclair?«
Ich schaute ihn verblüfft an. »Wissen Sie das nicht, Mister Conlon?«
»Nein – woher?«
»Wir werden uns um gewisse Dinge kümmern, und an erster Stelle steht noch nicht die Frau mit dem Messer, sondern Ihr verschwundener Freund Earl Taggert.«
»Der ist tot.«
»Und seine Leiche?«
Conlon blickte sich um, als würde sie in der Nähe liegen. Dann hob er die Schultern.
»Eben, mein Lieber. Wir beide werden versuchen, die Leiche zu finden.«
»Hier?«
»Ja.«
Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke nicht, dass er sich hier befindet.«
»Sie gehen doch davon aus, dass man ihn ermordet hat.«
»Ja.«
»Sie haben ihn schreien hören –
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