Rolf Torring 019 - Der Feind des Maharadscha
1. Kapitel
Über den Pir Pandschal.
Lahore lag hinter ums. Die Dschungelfürstin (siehe Band 18) hatte ihr Volk verlassen und war zu ihrem glücklichen Vater zurückgekehrt. Uns aber zog es nach dem "Paradies der Erde", nach Kaschmir, in dem nach alten, indischen Überlieferungen die Wiege des Menschengeschlechtes gestanden haben soll.
Wir hatten die besten Empfehlungen an Mahab Singh, den Maharadscha dieses schönen Reiches, denn durch unsere mannigfachen Abenteuer, die wir in ganz Indien erlebt hatten, waren wir bekannt geworden, vor allem, weil wir schon hohen englischen Beamten und indischen Fürsten die besten Dienste hatten leisten können.
Einen besonderen Zweck verbanden wir mit unserem Besuch nicht, wir wollten uns nur das schöne Land ansehen, das ja von fast keinem anderen Land der Erde an Schönheit übertroffen wird.
Mit der Bahn fuhren wir von Lahore bis Jehlam, von dort aus wollten wir zu Fuß zum Pir-Pandschal-Paß, der ungefähr einhundertzehn Kilometer entfernt ist. Wir hätten ja auch ein Automobil oder eines der landesüblichen Fahrzeuge benutzen kennen, aber wir zogen es vor, langsam vorzudringen und dabei Land und Leute näher kennen zu lernen.
Wir waren eines guten Empfanges am Fürstenhof gewiß, denn der Resident von Lahore hatte uns bereits telegraphisch avisiert. Doch hatte er auf unsere Bitte den Zeitpunkt unserer genauen Ankunft nicht angegeben, denn wir wollten es vermeiden, Gegenstand eines auffälligen Empfanges zu sein.
Manche indische Fürsten nehmen nämlich gern einen solchen Besuch zum Anlaß, ihren vielen Prunk und ihren Reichtum zu zeigen. Und das war für uns einfache Abenteurer nichts. Wir liebten es, möglichst wenig aufzufallen und unsere Wege abseits der breiten, allgemeinen Straßen zu wählen. Nur dann kann man so eigenartige Abenteuer erleben, wie wir sie liebten.
Als wir die kleine Bahnstation erreichten und ausstiegen, blickten wir uns erst gewohnheitsgemäß um, — es war, als erwarteten wir wieder irgend ein Erlebnis. Wir mußten selbst darüber lachen, aber diese Sucht nach etwas Neuem, Außergewöhnlichem war uns schon in Fleisch und Blut übergegangen.
Wie immer, fielen wir unter den Eingeborenen, die den Bahnsteig bevölkerten, auf, vor allem Pongo mit seiner Riesengestalt und dem furchtbaren Kopf. Auch der auf dem Bahnhof stationierte englische Polizist faßte uns scharf ins Auge, trat dann kurz entschlossen an uns heran und fragte sehr höflich, aber mit mißtrauischen Blicken, ob er uns in irgend einer Beziehung behilflich sein könnte.
„Gewiß", meinte Rolf freundlich, Sie könnten uns, wenn Sie so liebenswürdig sein wollten, den Weg zeigen, der zum Pir-Pandschal-Paß führt."
„Dort das Auto fährt über den Paß", sagte der Polizist jetzt nicht mehr so höflich und offenbar noch mißtrauischer geworden.
„Oh nein, wir wollen lieber laufen", widersprach Rolf lächelnd.
„Verzeihung, meine Herren", sagte jetzt der schmucke, englische Polizist sehr förmlich, „ich möchte Sie bitten, sich zu legitimieren. Es kriselt in der letzten Zeit gerade hier im Grenzgebiet so stark, daß wir jeden Fremden ersuchen müssen, sich auszuweisen."
„Aber bitte sehr", sagte Rolf freundlich, „genügt Ihnen dieser Ausweis des Residenten von Lahore? Es ist eine Empfehlung an sämtliche Behörden, mich in jeder Beziehung unterstützen zu wollen."
Der Beamte stand sofort stramm und sagte laut und militärisch:
„Wollen Sie, bitte, Herr Torring, völlig über mich verfügen."
„Aber nein, mein Lieber", lachte Rolf, „ich will ja nur den Weg durch die Stadt wissen, um auf die Straße zum Pir-Pandschal zu kommen."
„Wollen Sie wirklich laufen, Herr Torring?" staunte der Beamte.
„Ja, dabei lerne ich Land und Leute besser kennen."
„Das können Sie dann am Paß vielleicht am besten", lächelte der Polizist, „denn es finden gerade in letzter Zeit dort häufig Überfälle auf Reisende statt. Wie ich hörte, ist unsere Regierung deshalb sogar schon beim Fürsten von Kaschmir vorstellig geworden."
Nun das wäre ja gerade etwas für uns," lächelte auch Rolf. „Sind denn auch bereits europäische Reisende überfallen worden?"
„Nein, dann wären wir schon anders Vorgegangen, — meist sind Hindus überfallen worden."
„So, so, dabei sind doch die Bewohner Kaschmirs überwiegend Mohammedaner? Und ausgerechnet die wenigen Hindus werden überfallen?"
"Nun, darüber habe ich noch nicht nachgedacht, Herr Torring" lachte der Polizist. „Aber, wenn
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