087 - Bei Vollmond kommt der Tod
weiter.
Pasquanells Finger schlossen sich fester um die Schrotflinte. »Komm!« sagte er zu Doyle.
Der Mann feuerte noch einmal in den Wald hinein, und als er Pasquanell und Doyle sah, schrie er laut um Hilfe.
»Wölfe!« brüllte er. »Sie sind hinter mir her! Sie haben mich angefallen!«
Pasquanell und sein junger Begleiter eilten auf ihn zu. Der Mann brach erschöpft zusammen, bevor sie ihn erreichten.
Vielleicht hätte die Beinverletzung des Fremden Pasquanell zu denken geben müssen, denn erst kürzlich war ein Werwolf mit dem Bein in eine seiner Fallen geraten, doch Alain Delacorte spielte das gehetzte Opfer so überzeugend, daß es ihm gelang, selbst den wachsamen, mißtrauischen Pasquanell zu täuschen.
Simon Doyle behielt den Waldrand im Auge. Die Verfolger zeigten sich nicht. Pasquanell warf ihm sein Gewehr zu. Er wollte sich des Fremden annehmen.
Der Mann lag auf dem Bauch. Pasquanell drehte ihn vorsichtig um. »Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Wir sind Freunde.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Delacorte grinsend und ließ Terence Pasquanell aus kürzester Distanz in die Mündung seiner Pistole blicken.
Da begriff der Werwolfjäger.
Aber zu spät…
»Hände hoch, ihr Bastarde!« knurrte der Lykanthrop gefährlich. Er stand langsam auf, ließ Pasquanell und Doyle nicht aus den Augen. Er befahl ihnen, sich von ihren Waffen zu trennen.
Sie hatten keine andere Wahl, mußten gehorchen.
Simon Doyle zögerte zwar einen kurzen Moment, aber Pasquanell riet ihm, keine Dummheit zu machen. Schweren Herzens und sehr wütend warf der junge Mann daraufhin die beiden Schrotflinten auf den Boden. Pasquanell warf seinen Dolch und seinen Smith & Wesson dazu. Doyle folgte seinem Beispiel.
Nur die Silberschlingen behielten sie.
Alain Delacorte befahl ihnen, vor ihm herzugehen. In Doyles Adern brodelte das Blut. Pasquanell ermahnte ihn immer wieder mit eindringlichen, beschwörenden Blicken, nicht die Beherrschung zu verlieren.
Der Werwolfjäger wollte Delacortes Aufmerksamkeit zerstreuen, indem er mehrmals das Wort an ihn richtete, aber selbst wenn er etwas Provozierendes sagte, ging der Lykanthrop nicht darauf ein.
»Bringst du uns zu Oakland?« wollte Pasquanell wissen.
Delacorte schwieg. Wenn Pasquanell oder Doyle nicht schnell genug gingen, versetzte er ihnen einen harten Stoß, das war alles.
Pasquanell hatte sich besser unter Kontrolle als sein junger Freund. Ihm half die Reife des Alters, ruhig zu bleiben und auf eine Chance zu warten; auf eine Chance, die Doyle erzwingen wollte, und das war riskant.
Pasquanell hoffte, daß sich Simon Doyle zu keiner Unbesonnenheit hinreißen ließ. Manchmal konnte man nichts anderes tun, als warten, selbst wenn es noch so schwerfiel.
Bald glaubte Pasquanell zu wissen, wo sie auf Oakland stoßen würden. Von der Ferne war schon das dumpfe Rauschen des Wasserfalls zu hören.
Sie erreichten ihn kurz darauf, und Pasquanell sah, daß er mit seiner Vermutung recht hatte. Hoch oben auf den Felsen, den Vollmond hinter sich, stand Eliot Oakland.
Ein Herrscher der Nacht, ein grausamer Killer. Unbezwingbar wirkte er, doch Pasquanell würde trotzdem nicht davor zurückschrecken, ihn anzugreifen.
Oakland! dachte er, und er erschauerte wie im Fieber. Endlich habe ich ihn gefunden!
Alain Delacorte trieb sie einen steilen Pfad hoch. Wie ein weißer Vorhang hing das rauschende Wasser in der Dunkelheit. Es stürzte zehn Meter in die Tiefe und grub sich in ein schäumendes, gischtendes rundes Becken.
Hier sollte die Entscheidung fallen.
Mensch oder Tier?
Jäger oder Werwolf? Wer würde hier sein Leben verlieren? Es konnte nur einen Sieger geben.
Alain Delacorte zwang sie, vor Oakland hinzutreten. Es war demütigend, aber gegen die Pistole in Delacortes Hand waren die Jäger machtlos.
Es funkelte haßerfüllt und grausam in den Augen des Leitwolfs. »Pasquanell!« sagte er dumpf. »Ich habe sehnsüchtig auf diesen Augenblick gewartet.«
»Nicht sehnsüchtiger als ich«, erwiderte der bärtige Mann.
»Du wirst sterben, und der junge Heißsporn, der so gern dein Nachfolger geworden wäre, mit dir. Wir säubern das Gebiet von Feinden, damit wir uns ungestört entfalten können. Ich habe große Pläne, Pasquanell, und du kannst sie nicht verhindern. Du bist ein geschlagener Mann. Viel zu oft hast du gesiegt. Die Zeit deiner ersten und zugleich letzten Niederlage ist gekommen.«
Simon Doyle war so nervös, daß er kaum noch ruhig stehen konnte, und als Delacorte ihn
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