Die Witwe
ERSTES KAPITEL
W enn Sie versprechen, Ihre
Handschellen zu tragen und mir den Schlüssel zu geben, werde ich mich liebend
gern für heute abend mit Ihnen verabreden,
Lieutenant«, sagte Annabelle Jackson mit fester Stimme.
»Ich würde mit Handschellen
einfach albern aussehen«, sagte ich. »Ich wollte eigentlich meinen neuen Anzug
anziehen.«
Die Sekretärin des Sheriffs
errötete leicht. »Es gibt Augenblicke, Al Wheeler, in denen ich... Ach, was
soll's! Der Sheriff möchte Sie jedenfalls sprechen.«
»Es ist beinahe fünf Uhr«,
protestierte ich. »Weiß er nicht, daß ich mich an die gewerkschaftlich
vorgeschriebene Arbeitszeit halte. Ich hole Sie heute abend um sieben Uhr ab.«
»Mit Handschellen«, erinnerte
sie mich.
Ich ging durch das Vorzimmer
zum Büro des Sheriffs und dachte sogar daran zu klopfen, bevor ich eintrat.
Lavers blickte durch eine Rauchwolke zu mir auf. Er war wieder bei der Pfeife
angelangt, stellte ich fest. Das bedeutete, daß er politischer Stimmung war,
nichts als Wohlwollen und bereit Babys zu küssen. Zu anderen Zeiten war er sein
normales widerwärtiges >Ich<, das Zigarren rauchte und Jungens wie mich
das Leben zur Hölle machte.
»Setzen Sie sich, Wheeler«,
sagte er. »Da ist eine Sache, von der ich gern hätte, daß Sie sie mir
abnehmen.«
»Wie heißt sie?« fragte ich
vorsichtig.
»Können Sie an nichts anderes
als an Frauen denken?«
»Wäre es Ihnen lieber, ich dächte
an Schulmädchen?« fragte ich vorwurfsvoll. »Sie wissen, wie man so was nennt?«
»Ich weiß, wie man jemanden wie
Sie nennt«, sagte er kurz. »Aber ich muß auf den Ausdruck verzichten für den
Fall, daß meine Sekretärin ihn hören könnte.«
Ich warf erneut einen Blick auf
meine Uhr. »Wenn wir schon von Ihrer Sekretärin reden, Sheriff, ich bin heute abend mit ihr verabredet.«
»Das waren Sie vielleicht«,
sagte er gelassen. »Aber ich habe etwas anderes für Sie zu tun.«
»Wir haben seit einem Monat
keinen Mord gehabt«, sagte ich nachdenklich. »Sie haben mich von der
Mordabteilung angefordert, damit ich mich hier der Mordfälle annehme. Was soll
ich tun — einen Mord in Szene setzen?«
»Ich möchte, daß Sie den Mund
halten und zuhören«, sagte er gewichtig.
Dies war der Lavers, den ich
kannte. »Ja, Sir«, sagte ich. »Warum rauchen Sie keine Zigarre?«
»Kalifornien ist mit einem
Klima gesegnet, das in manchen Leuten die schlimmsten Anlagen weckt«, fuhr
Lavers fort, ohne meinem Vorschlag Beachtung zu schenken. »Wir haben auf einem
Quadratkilometer mehr Spinner als jeder andere Staat.«
»Ich bin völlig Ihrer Meinung,
Sir«, sagte ich, ihn nachdenklich betrachtend.
»Da ist ein neuer aufgetaucht«,
sagte er. »Er bezeichnet sich als der >Prophet<. Er hat sich etwa dreißig
Kilometer vor der Stadt oben auf dem Bald Mountain niedergelassen.«
»Und verkauft Haarwuchsmittel?«
Lavers zuckte zusammen. »Was er
verkauft, ist Sonnenanbetung und Sex, und zwar ausgezeichnet. Er hat eine
Gruppe von Leuten aus der guten Gesellschaft dort oben — unter anderem — , und
die Sache gefällt mir nicht.«
»Die Sonnenanbetung?«
»Gar nichts gefällt mir. Diese
verrückten religiösen Sekten haben die häßliche Angewohnheit, irgendwann zu
platzen und dabei ein oder zwei Leichen zu hinterlassen. Ich möchte, daß Sie dort
hinauffahren und einmal einen Blick auf die Sache werfen.«
»Aber warum heute
abend ?«
»Weil es Freitag ist, der beste
Abend in der Woche. Dieser Prophet hat den Vorschlag gemacht, dort oben auf dem
Berg eine Art Heiligtum aufzubauen. Es soll hunderttausend Dollar kosten, und
ein Haufen Leute hat bereits die Spendenliste gezeichnet.«
»Soll ich ihn dazu bringen, das
Geld zurückzugeben?«
»Ich möchte, daß Sie...« Lavers
holte tief Luft und überlegte es sich anders. »Es könnte eine Hochstapelei
größten Stils sein. Ich möchte wissen, ob es das ist oder nicht. Ich möchte,
daß Sie das herausfinden.«
»Ich werde ihn fragen«, sagte
ich verdrossen. »Was soll ich tun, wenn er nein sagt?«
»Sie scheinen immer zu wissen,
was Sie zu tun haben, wenn eine Frau nein sagt«, brummte Lavers. »Wenden Sie
einmal Ihre Erfahrung auf anderem Gebiet an. Kommen Sie morgen früh zu mir und
berichten Sie, aber wirklich früh. Ich spiele Golf.«
»Das ist eine weitere
hirnrissige Sekte, die hier in Kalifornien überhand nimmt«, sagte ich. »Was für
einen Fetisch haben Sie, Sheriff? Den Schläger oder den Ball?«
»Machen Sie, daß Sie
rauskommen«, sagte er
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