088 - Die Sumpfhexe
wallenden Brühe auf und versanken. Der aufwirbelnde Brodem umhüllte eine uralte, häßliche Frau mit einem von unzähligen Runzeln durchzogenen Gesicht und schmutzigweißem Haar.
Die niedere Hütte war von einem dämmrigen Halbdunkel erfüllt. Als Norman Tait eintrat, fiel ihm als erstes das chaotische Durcheinander ins Auge. Zwei Betten waren noch ungemacht, Kleider und Schuhe lagen umher, auf einem Regal an der Wand türmten sich Töpfe, Pfannen und Teller.
Durchdringender Moschusgeruch nahm Tait fast den Atem.
„Gott verdamme deine schwarze Seele, du Hundesohn!“ kreischte eine schrille Stimme.
Tait zuckte zusammen. Flügelschlagend umflatterte ein schwarzer Papagei seinen Kopf. Er riß den Schnabel auf und überschüttete den Mann mit einem Schwall von Flüchen und Verwünschungen, die einen sechzig jährigen Obermaat geschockt hätten.
Ein Zischen ließ Tait herumwirbeln. Hinter ihm hatte sich eine schwarze Sumpfotter hoch aufgerichtet. Der breite, flache Kopf der Schlange pendelte hin und her. Die starren Augen fixierten ihn.
Er wußte sehr wohl, daß der Biß der Sumpfotter – so weit von jeder menschlichen Ansiedlung entfernt – unbedingt tödlich war. Schweiß trat dem grauhaarigen Mann auf die Stirn.
„Haben Sie keine Angst, Mr. Tait“, sagte das schlanke, dunkelhaarige Mädchen, das hinter dem Mann eingetreten war. „Coco und Bazooka sind harmlose Haustiere. Sie tun Ihnen nichts.“
„Für solche Hausgenossen danke ich. Wenn es Ihnen und Ihrer Tante nichts ausmacht, Miß Samantha, schicken Sie die Biester raus, solange ich hier bin.“
„Wieder zischte die Schlange. Der scharfe Laut ging Tait durch Mark und Bein. Plötzlich verwünschte er seine Idee, bei der Sumpfhexe Doreen Carlyle Rat und Hilfe zu holen. Er wünschte sich weit weg, am besten bis nach New York und zurück in sein beschauliches Dasein als Buchprüfer.
Doch damit war es schon lange vorbei. Wenn die alte Doreen ihm nicht helfen konnte, war er pleite, bankrott, erledigt. Dann war die Arbeit eines ganzen Lebens umsonst gewesen.
„In der Hölle sollst du schmoren“, kreischte Coco. „Deine Seele gehört dem Teufel.“
Die alte Doreen machte eine knappe, herrische Handbewegung. Sofort flog der Papagei zur Tür hinaus. Die Schlange glitt hinterher. Sie war drei Yards lang und armdick.
Ein so mächtiges Exemplar einer Sumpfotter hatte Tait noch nie gesehen. Er legte auch keinen Wert darauf, Bazooka noch öfter zu begegnen. Er war vielmehr daran interessiert, heil und gesund wieder zu den anderen zurückzukommen.
„Was führt dich her?“ fragte die alte Doreen nun.
Ihre Stimme klang schrill und mißtönig, wie eine Tür mit ungeölten Angeln. Die kleinen, in Runzeln eingebetteten Augen, die Tait fixierten, wirkten ebenso leblos und starr wie die der Schlange. Norman Tait überlief es kalt, obwohl die Hütte vom heißen Fieberatem des Sumpfes erfüllt schien.
Tait schilderte nun in kurzen Worten, daß er seine Tätigkeit als Buchprüfer und Steuerberater aufgegeben und New York vor neun Wochen verlassen hatte. Mit dem, was der Verkauf seiner guteingeführten Firma ihm einbrachte und seinen Ersparnissen hatte Tait sich eine Yacht gekauft und diese umgerüstet.
Er wollte mit seinem Halbbruder Buster, seinem sechsundzwanzigjährigen Sohn Dean, dessen Braut Ellen Bailey und dem Arzt Steve Corell an der Westküste Floridas nach gesunkenen Schatzschiffen suchen.
Bisher hatte die Suche nur einige verrottete Kähne mit wertloser, längst verdorbener Ladung erbracht. Das Glück, das andere Männer zu Millionären hatte werden lassen, war Norman Tait und seiner Crew bisher nicht hold gewesen. Wenn er nun in den nächsten Tagen nichts fand, mußte er aufgeben.
Die alte Sumpf hexe kicherte höhnisch.
„Das Meer gibt seine Schätze so schnell nicht her“, sagte sie. „Was es hat, das hält es fest. Wahr ist, daß viele Schiffe hier im Sturm zerschellt oder von Piraten versenkt worden sind. Die Wellen haben sie verschlungen, mit Mann und Maus und allen Schätzen.“
Wieder kicherte die Alte. Schiffsunglücke und andere Katastrophen schienen ihr Spaß zu machen.
„Kannst du mir sagen, wo solche gesunkenen Schatzschiffe liegen?“ fragte Tait. „Ich zahle jeden Preis. Ich besorge dir alles, was du haben willst. Ich beteilige dich auch am Gewinn, wenn du willst. Dann kannst du diese elende Hütte im Sumpf verlassen.“
„Ich will hier nicht weg. Ich habe alles, was ich brauche. Aber ich will dir helfen“, fuhr Doreen
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