Magic Girls 02 - Das Magische Amulett
E lena blätterte lustlos in ihrem Mathematikbuch. Die Zahlen verschwammen vor ihren Augen, ohne dass sie einen Sinn darin erkennen konnte. Sie stöhnte.
»Eigentlich idiotisch, was wir hier in der Menschenwelt alles lernen müssen«, murmelte sie und reckte den Hals, um zu sehen, was Miranda, die ihr gegenübersaß, so eifrig in ihr Heft schrieb.
Die beiden Mädchen saßen zusammen an dem großen Wohnzimmertisch und machten Hausaufgaben. Von ihrem Platz aus hatte Elena das Terrarium mit dem Grünen Leguan im Blick. Es stand im Erker und die Strahlen der Nachmittagssonne spiegelten sich im Glas. Der Leguan war vor seinem Futternapf eingeschlafen und döste seit einer halben Stunde reglos vor sich hin.
Elena seufzte. Armer Papa! Sie hätte ihm so gerne geholfen! Aber der Hexenfluch, der ihn in einen Leguan verzaubert hatte, war zu mächtig, und bisher hatte noch niemand aus der Familie herausgefunden, wie man Leon Bredov zurückverwandeln konnte.
Elena versuchte, sich wieder auf Mirandas Heft zu konzentrieren. Es war nicht einfach, die Zahlen, die auf dem Kopf standen, zu lesen. Wozu hatte Elena nur in der letzten Zeit jeden Tag zwei Stunden für ihr Hexendiplom gebüffelt? Sie streckte den Arm aus.
»Ich will was von dir!
Los, flieg rüber zu mir!«
Ein Fingerschnippen – und schon kopierte sich der Hefteintrag auf ein durchsichtiges Blatt, drehte sich in der Luft und ließ sich auf Elenas Mathematikheft nieder, wo die Kopie mit dem Papier verschmolz. Elena lächelte.
»Na bitte, geht doch.«
Miranda blickte etwas unwillig auf und strich ihr hellblondes Haar zurück. »Du sollst nicht immer die Aufgaben aus meinem Heft kopieren. Auf diese Weise lernst du Mathe garantiert nie!«
»Muss ich das unbedingt?«, fragte Elena. Sie verstand nicht, wie sich Miranda für all diese komplizierten Formeln und Zahlen begeistern konnte.
»Mathematik ist hochinteressant. Und die Gesetze gelten überall – hier und bei uns zu Hause. Sie sind sozusagen … universell.« Miranda legte den Füller beiseite. »Mathe wird dir also auch nützen, wenn wir in die Hexenwelt zurückgekehrt sind.«
»Aber bis dahin dauert es noch fast fünf Jahre.« Elena verdrehte die Augen, als sie sich den langen Zeitraum vorstellte.
Elena und ihre Familie waren zurzeit im HEXIL. So nannte man einen längeren Aufenthalt in der Menschenwelt. Sie sollten sich unauffällig unter die Menschen mischen und möglichst nicht öffentlich zaubern, damit niemand sie als Hexen erkannte. Außerdem hatte Familie Bredov eine besondere Aufgabe: Sie sollte die Sitten und Gebräuche der Menschen untersuchen und das Wissen über den
Homo sapiens sapiens
auf den neuesten Stand bringen. Das Buch
Vom Umgang mit Menschen
, das vor vielen Jahren ein gewisser Zauberer namens Adrian Freitag Zwigge verfasst hatte, war schon ziemlich veraltet und viele Eintragungen stimmten nicht mehr.
Anweisungen für Hexen im HEXIL:
Verhalten Sie sich unauffällig! Die Menschen dürfen nicht herausfinden, wer Sie wirklich sind. Studieren Sie ihre Regeln und Gebräuche und ahmen Sie ihre Sitten nach! Passen Sie sich an!
Hexen Sie möglichst nicht in der Öffentlichkeit!
Verwenden Sie zur Fortbewegung keinen Besen!
Verraten Sie keinem Menschen, wer Sie in Wirklichkeit sind und woher Sie kommen!
Experimentieren Sie bei Problemen nicht auf eigene Faust!
Wenden Sie sich bei Schwierigkeiten und Fragen an Ihren zuständigen Hexilbeauftragten!
Der Aufenthalt bei den Menschen war allerdings nicht ganz freiwillig. Großmutter Mona hatte die Sache ins Rollen gebracht. In der Hexenwelt hatten die Bredovs nämlich ihr Ansehen verloren, denn Papa Leon war von den Zauberrichtern verurteilt und in einen Leguan verwandelt worden. Man beschuldigte ihn, schwarze Magie betrieben und Umgang mit den verbotenen
Schwarzen Zauberkutten
gehabt zu haben. Elena glaubte keinen Augenblick lang daran, dass ihr Vater wirklich solche Dinge getan hatte.
Leider hatte man vor Gericht Leons Unschuld nicht beweisen können. Es war für die Bredovs ganz schrecklich gewesen: erst Leons Verwandlung, dann die Aberkennung aller gesellschaftlichen Rechte und zuletzt noch der Umzug in eine ganz miese Wohngegend, wo es achtzehn Stunden pro Tag regnete. In der Hexenwelt hätten Elena und ihre Geschwister Daphne und Rufus auch nicht mehr Zauberei studieren dürfen. Aber nach der Zeit im HEXIL würde hoffentlich alles anders sein …
Wenigstens war Miranda Leuwen, Elenas beste Freundin, ins HEXIL mitgekommen. Sie
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