0898 - Todesruf der Alten Göttin
Heimkinder waren nicht zu beneiden. Um etwas Abwechslung zu bekommen, mußten sie mit dem Bus wegfahren. Zum Glück war die Haltestelle gleich in der Nähe.
Gordy war vor der Treppe stehengeblieben. Versonnen schaute er über den vor ihm liegenden freien Platz hinweg. Vielleicht erinnerte er sich auch daran, wie er mit den anderen Kindern und Freunden hier auf dem Platz seine Pausen verbracht hatte.
Das aber war vorbei. Auch das Heim gab es nicht mehr. Aufgelöst, die Kinder waren nach Hause zu ihren Eltern geschickt worden. Da hatten die Starks vorgesorgt und sich gleichzeitig ihrer Tarnung entledigt. Für mich war es auch jetzt noch ein Rätsel, wie beide es geschafft hatten, dieses private Heim, verbunden mit einer Schule, einzurichten. Wenn ich Gelegenheit bekam, würde ich nachhaken, um herauszufinden, wann dieses Heim gegründet worden war.
Eine perfekte Tarnung, das mußte ich zugeben. Besser ging es einfach nicht. Trotzdem gaben sie nicht auf, bis die Starks ihr Ziel erreicht hatten. Da hatte das Schicksal ihnen Gordy als Schüler zugeführt.
Unser Wagen stand im Dunkeln, es war das einzige Auto im Umkreis. Der Junge ging darauf zu und blieb neben dem Rover stehen. Wir warteten noch, denn uns fiel auf, wie Gordy in den Himmel schaute, als suchte er nach etwas Bestimmtem.
»Was kann er nur haben?« fragte Suko.
»Ich weiß es nicht.«
»Er sprach von einer Gefahr. Glaubst du ihm?«
»Zumindest haben wir schon das Haus verlassen.«
Suko nickte. »Das ist richtig, wir haben es verlassen. Aber warum schaut Gordy in die Wolken? Glaubst du, daß diese Gefahr von oben kommen wird?«
»Ausschließen können wir nichts.«
Gordy winkte. Er hatte damit unser Gespräch unterbrochen. Ich dachte sowieso nicht an die nicht näher definierte Gefahr, sondern beschäftigte mich mehr mit Gordys geheimnisvoller Herkunft. Ich glaubte ihm, daß er ein Pharao-Kind war. Gleichzeitig ein Psychonaut, der noch das verschollene dritte Auge besaß. Wenn er nach den Regeln der echten Psychonauten lebte, dann mußte er die großen Geheimnisse der Pyramide bewahren. Er war verpflichtet, dafür zu sorgen, daß sie nicht an die Oberfläche gespült wurden.
So sah es aus.
Fragte sich nur, ob Gordy dies einhalten konnte. Wir jedenfalls würden alles tun, um ihn zu unterstützen. Über das Autodach hinweg sprach ich ihn an. »Hast du inzwischen gespürt, ob die Gefahr noch vorhanden und wie nahe sie uns ist?«
»Nein.«
»Ist sie denn weg?«
»Auch nicht.«
»Was ist dann?«
»Sie kommt.«
»Gut, wir glauben dir.« Ich schaute zu, wie Suko einstieg und sich hinter das Lenkrad setzte. »Darf ich dich denn fragen, woher du weißt, daß die Gefahr auf dem Weg zu uns ist?«
»Das spüre ich.«
»Wie?«
Er deutete auf seine Stirn, wo wir kein Auge sahen. »Es sind die Warnsignale, es ist der Kontakt zu den Starks. Die haben nicht aufgegeben, die wollen an uns heran. An euch, denn ihr beide habt mich ihnen weggenommen. Sie wissen auch, daß ihr nicht so schwach wie andere Menschen seid. Deshalb werden sie ganz andere Wege suchen, um euch zu vernichten.«
»Dich nicht?«
»Das weiß ich nicht genau. Sie wollen mich ja haben. Wenn ich sterbe, werden ich wohl irgendwann noch einmal wiedergeboren, aber ich glaube nicht, daß die beiden so lange warten werden. Sie wollen die Entscheidung jetzt und in dieser Zeit herbeiführen. Es gibt kein anderes Mal mehr.«
»Bist du dir sicher?«
»Das bin ich, John!«
»Gut, ich vertraue dir.« Ich öffnete die Beifahrertür und fragte noch, bevor ich einstieg: »Hast du denn eine Idee, wohin wir jetzt fahren sollen, um den Starks zu entwischen?«
Gordy senkte den Kopf. »Die habe ich nicht. Kaldar und Sinara werden uns überall erwischen. Sie werden es immer wieder versuchen, wir müssen nur besser sein.«
Ich zwinkerte ihm zu. »Das werden wir auch!«
Gordy konnte darüber nicht lächeln. Schweigend stieg er in den Rover und nahm wieder seinen alten Platz ein, ebenso wie ich. Beide saßen wir im Fond.
Bevor Suko startete, fragte der Junge: »Darf ich das Fenster an meiner Seite etwas nach unten fahren?«
»Bitte.«
Er tat es und sagte zur Erklärung: »Es geht mir nicht nur um die frische Luft, ich will etwas anderes herausfinden.«
»Und was?«
»Die Gefahr ist noch da«, flüsterte er.
»Ist sie denn näher gekommen?«
Gordy hob die Schultern. »Das kann ich nicht so genau sagen. Aber sie ist noch da.«
»Aber wir können fahren - oder?«
»Bitte.«
Auch Suko hatte die
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