09 - Befehl von oben
fluoreszierend orange ist - mußte jedenfalls da irgendwo sein. Tatsächlich war die Umgebung ziemlich frei. Die Trümmer waren größtenteils nach Westen geschleudert worden, und die NTSB-Leute mochten tatsächlich eine Chance haben, sie rasch zu bergen.
»Okay.« Magill nickte und zeigte auf ein paar Feuerwehrleute, die sie begleiten könnten.
»Würden Sie außerdem Ihre Leute anweisen, die Überreste des Flugzeugs möglichst nicht von der Stelle zu bewegen ? Wir möchten den Hergang der Katastrophe rekonstruieren, und da ist es sehr hilfreich, wenn alles an seinem Platz bleibt.«
»Die Menschen ... die Leichen haben Vorrang«, brummte Magill. Der Bundesbeamte verzog das Gesicht. Niemand war zum Vergnügen hier.
»Ich verstehe.« Er hielt inne. »Wenn Sie die Flugmannschaft finden, bitte bewegen Sie sie nicht von der Stelle. Rufen Sie uns, okay?«
»Wie werden wir sie erkennen?«
»Weiße Hemden, Schulterklappen mit Streifen drauf, und es sind vermutlich Japaner.«
Dies hätte eigentlich verrückt klingen sollen, doch das war es nicht.
Magill wußte, daß menschliche Körper Flugzeugabstürze oft in unglaublicher äußerer Verfassung überstanden, so intakt, daß auf den ersten Blick nur ein geschultes Auge die Anzeichen tödlicher Verletzungen erkannte. Häufig entnervte das die Zivilisten, die gewöhnlich als erste an einer Unglücksstelle waren. Seltsam, daß der menschliche Körper anscheinend viel robuster war als das Leben darin. Eine Barmherzigkeit war es für Hinterbliebene, denen die höllische Qual erspart wurde, ein Stück zerfetztes, verbranntes Fleisch zu identifizieren, doch die Grausamkeit, jemanden wiederzuerkennen, der einem nicht mehr antworten konnte, blieb. Magill schüttelte den Kopf und übertrug einem seiner dienstälteren Leute den Sonderbefehl.
Die Feuerwehrleute da unten hatten davon schon genug am Hut. Der erste Sonderbefehl betraf natürlich die Ortung und Bergung der Leiche des Präsidenten Roger Durling. Alles andere war dieser Aufgabe gegenüber zweitrangig, und speziell für diese Leiche stand ein gesonderter Wagen bereit. Selbst die First Lady, Anne Durling, würde ein bißchen auf ihren Mann warten müssen, ein letztes Mal. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde ein Mobilkran ans Gebäude manövriert, um die Steinblöcke herauszuheben, die das Podium und den Bereich drum herum bedeckten, als wären sie aus einem übergroßen Kinderbaukasten dahin geschüttet worden.
Leute strömten in alle Ministerien, insbesondere höhere Chargen. Es war sonst nicht üblich, daß sich die VIP-Parkplätze um Mitternacht füllten. Auch Sicherheitspersonal wurde herbeordert, denn ein Angriff auf eine Regierungsstelle war ein Angriff auf alle, auch wenn die Art des Angriffs den Sinn in Frage stellte, Leute mit Faustfeuerwaffen hereinzurufen. Wenn A geschah, hatte das B zur Folge, weil irgendwo geschrieben stand, daß B das war, was man zu tun hatte. Die Leute mit den Faustfeuerwaffen sahen einander an und schüttelten den Kopf im Bewußtsein, daß ihre Überstunden bezahlt würden, was sie den hohen Tiere voraushatten, die jetzt aus Chevy Chase und den Vororten in Virginia hergerast kamen, in die oberen Stockwerke stürmten, bloß um dort miteinander zu palavern.
Eine solche Person erreichte den Parkplatz in der Tiefgarage und benutzte eine Keycard, um den VIP-Fahrstuhl in den sechsten Stock zu aktivieren. Was den Mann von anderen unterschied, war, daß er für den Abend einen echten Auftrag hatte, allerdings einen, über den er den ganzen Weg von Great Falls hierher gegrübelt hatte. Es schien ihm eine Mutprobe, doch das Wort paßte hier eigentlich nicht. Was sollte er denn sonst tun? Er verdankte Ed Kealty alles, seine Stellung in der Washingtoner Gesellschaft, seine Karriere beim Staat, so viele andere Dinge. Das Land brauchte jetzt jemanden wie Ed. Das hatte ihm jedenfalls Ed gesagt; was er selbst dabei tat, war ... ja, was?
Im Wagen hatte es eine leise Stimme Verrat genannt, aber nein, das war es nicht, denn >Verrat< ist das einzige Verbrechen, das in der Verfassung definiert ist, und zwar als Hilfe für Feinde des Landes >mit Rat und Tat<; und was auch immer Ed Kealty vorhatte, das tat er doch ganz gewiß nicht.
Es war eine Frage der Loyalität. Er war Ed Kealtys Mann. Das Verhältnis hatte schon in Harvard begonnen, mit Bier, Doppelrendezvous und Wochenenden im Haus von dessen Eltern am Wasser, die herrliche Zeit einer ungestümen Jugend. Er war der Arbeiterklassengast einer der
Weitere Kostenlose Bücher