09 - Befehl von oben
nicht so sehr von denen auf den Porträts, die ihn auf dem Weg vom Ostflügel hierher angeschaut hatten. Man erwartete von ihm, daß er das Richtige tat. Sie würden ihn unterstützen, ihn vor anderen und vor sich selbst schützen, aber er hatte den Job zu tun. Und sie würden ihn auch nicht weglaufen lassen.
Der Secret Service war ermächtigt, ihn vor physischer Gefahr zu schützen. Arnie van Damm würde sich bemühen, ihn vor politischer Gefahr zu schützen. Noch andere würden ihren entsprechenden Dienst zu seinem Schutz verrichten. Das Hauspersonal würde sich um sein Essen kümmern, seine Hemden bügeln, ihm Kaffee bringen.
Aber keiner würde Ryan gestatten davonzulaufen, weder von seinem Platz noch von seinen Pflichten.
Es war ein Gefängnis.
Doch was Arnie soeben gesagt hatte, stimmte. Er hätte ja den Eid nicht abzulegen brauchen - nein, dachte Ryan, während er auf die polierte Eichentischplatte sah. Dann wäre er für alle Ewigkeit als Feigling gebrandmarkt - schlimmer noch, sein Ich würde ihn als einen solchen verdammen, denn sein Gewissen konnte ihm ein schlimmerer Feind sein als jeder Außenstehende.
Es lag in seinem Wesen, im Spiegel die Mängel zu sehen.
So gut er auch sein mochte, ihm reichte es nie - angetrieben, wovon?
Von Werten, gelernt von seinen Eltern, den Lehrern, dem Marine Corps, den vielen Menschen, denen er begegnet war, den Gefahren, denen er getrotzt hatte?
Alles abstrakte Werte - nützten sie ihm, oder nützte er ihnen?
Was hatte ihn bis hierher gebracht?
Was hatte ihm zu dem gemacht - und was, wirklich, war John Patrick Ryan?
Er blickte herum, fragte sich, was die anderen von ihm hielten, doch die wußten es wohl auch nicht. Nun war er Präsident: der, von dem die Befehle kamen, die sie ausführen würden; der die Reden hielt, deren Bedeutung und Richtigkeit andere analysieren würden; der entschied, was die Vereinigten Staaten tun würden, um wieder von anderen beurteilt und kritisiert zu werden - andere, die nie recht wußten, wie das, was sie kritisierten, wirklich zu tun war.
Aber das war keine Personen-, es war eine Jobbeschreibung. Die mußte ausgefüllt werden von einem Mann - oder bald einmal einer Frau -, der nachdachte und das Richtige in Angriff nahm.
Und für Ryan, vor weniger als eineinhalb Stunden, war das Richtige gewesen, den Eid zu leisten.
Und sich zu bemühen, sein Bestes zu geben. Das Urteil der Geschichte war für ihn weniger wichtig, als das, was er von sich selbst hielt, wenn er morgens im Spiegel den Unzulänglichen sah. Das wirkliche Gefängnis war und würde immer sein: er selbst.
Verdammt!
*
Das Feuer war jetzt aus, sah Chief Magill. Seine Leute mußten achtgeben. Immer noch gab es Herde, Stellen, wo das Feuer ausgegangen war, nicht aber vom Wasser gelöscht, sondern aus Mangel an Sauerstoff, und die warteten nur darauf, wieder aufzuflammen, um Unachtsame zu überraschen und zu töten. Doch seine Leute waren umsichtig, und dieses gelegentliche kleine Aufflackern würde im großen Rahmen dieses Brandes nicht ins Gewicht fallen. Schläuche wurden bereits eingerollt, und einige seiner Leute brachten schon ihre Fahrzeuge zu den Stützpunkten zurück. Aus der ganzen Stadt hatte er alles verfügbare Gerät herbeigerufen, und den Großteil mußte er zurückschicken, damit nicht irgendwo ein neuer Brand unbekämpft blieb und unnötigerweise weitere Menschen starben.
Jetzt war er von anderen umringt. Sie trugen alle Vinyljacken mit großen gelben Buchstaben darauf, die verkündeten, wer sie waren. Es waren Trupps vom FBI, vom Secret Service, von der Washington Metropolitan Police, vom NTSB, vom Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms des Finanzministeriums und seine eigenen Ermittler von Brandursachen. Alle erwarteten einen Hauptverantwortlichen, damit sie den eigenen Zuständigkeitsbereich abstecken konnten. Statt sich informell zu beraten und eine vorläufige Befehlskette einzurichten, standen sie in überwiegend homogenen kleinen Gruppen herum und warteten vermutlich darauf, daß ihnen jemand sagte, wer was zu tun hatte. Magill konnte nur den Kopf schütteln. Aber er sah so etwas nicht zum erstenmal.
»Chief?« sprach ihn jemand von hinten an. Magill drehte sich um. »Ja?«
»NTSB. Können wir mit der Bergung des Flugdatenschreibers
beginnen?« Der Mann zeigte dabei auf die Seitenflosse. Wenn auch das Heck des Flugzeugs alles andere als intakt war, konnte man zumindest noch erkennen, was es einmal gewesen war, und die sogenannte Black Box - die in Wirklichkeit
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