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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Verzückung setzte sie weiter ziellos Erdkraft ein, bis Stave sie am Arm packte und von Hyns Rücken riss.
    Dieser Schreck genügte, um sie aufhören zu lassen.
    Sie hatte nicht gesehen, dass Stave abgestiegen war. Sie hatte nur Augen für Jeremiah und dann für die Zäsur gehabt. Vielleicht war er von Hynyn geglitten, als er ihren Arm gepackt hatte. Jetzt drehte er sie von Jeremiah weg und zwang sie dazu, ihn anzusehen.
    »Auserwählte!«, sagte er streng. »Wenn uns Gefahren drohen, darfst du nicht nur auf deinen Sohn achten. Ich gestehe ein, dass sein Tun faszinierend ist. Trotzdem darfst du dich nicht davon fesseln lassen.« Als sie endlich seinen Blick erwiderte, fügte er hinzu: »Und wir müssen es den Ranyhyn ermöglichen, sich selbst zu verteidigen. Auf ihrem Rücken sitzend behindern wir sie nur.«
    »Das ist deine Aufgabe«, wehrte sie unwillig ab, als hätte er sie bei einer wichtigen Beschäftigung unterbrochen. »Deine Sinne sind ohnehin schärfer als meine. Ich muss dies hier sehen.«
    Linden machte sich mit einem Ruck von ihm frei. Die nun reiterlosen Ranyhyn blieben weit genug hinter ihr, um nicht von ihrem Stab oder ihrem Feuer getroffen werden zu können.
    Zwei Schritte brachten sie näher an Jeremiahs Gebilde heran. Blind und taub gegenüber allem, was nichts mit seinem eigenen Projekt zu tun hatte, hatte er inzwischen weitergearbeitet. Sein schlammiger Blick war dabei noch ausdrucksloser geworden, bis er blind wie Anele zu sein schien. Er hatte bereits einen abgesplitterten Oberschenkelknochen stehend auf einem Schulterblatt als Grundplatte befestigt. Von Fingergliedern und Knochen gestützt, die sich windenden Schlangen glichen, überragte er den Jungen und war größer als Linden. Jetzt wählte Jeremiah einen ähnlichen Knochen, der an einem Ende zersplittert war, und stellte ihn eine Armlänge entfernt von dem ersten auf. So erinnerten die beiden Oberschenkelknochen an Türpfosten oder Fachwerkbalken eines Hauses.
    Mit jedem Herzschlag verwandelte sich Lindens Zorn in Aufregung. Früher hatte sie ihm stundenlang zusehen können. Sie wusste von früher, wie machtvoll seine Gabe war. Was immer er hier baute, würde Wunder wirken können.
    »Stave?«, fragte sie flüsternd, als wäre ihr Zorn spurlos verflogen. »Weißt du, was das ist? Weißt du, was er macht?«
    Neben ihr stehend antwortete der ehemalige Meister mit gewohntem Stoizismus: »Kein Haruchai hat jemals dergleichen gesehen - außer in den Zeugnissen, die sich in der Halle der Geschenke befinden. Trotzdem glaube ich, dass dies Anundivian yanja, die Kunst des Markknetens der Ramen ist. Ihre Erinnerung daran ist stets kummervoll, denn die Geheimnisse dieser Kunst sind verloren gegangen. Wie dein Sohn zu diesem Talent gekommen sein könnte, kann ich mir nicht einmal vorstellen.«
    Ja, dachte Linden. In der Halle der Geschenke. Sie hätte gern geglaubt, dass schon in der Anfangsphase des Gebildes die sich ansammelnde Macht zu spüren sei, sodass Stave beeindruckt sein würde. Aber die Knochen blieben nach jedem Aufflackern von Erdkraft hartnäckig inert. Ihre Anordnung innerhalb seines Gebildes war noch zu provisorisch, um Rückschlüsse auf seine endgültige Form und seinen Zweck zuzulassen.
    Als Stave jedoch wieder ihren Namen sagte, reagierte sie sofort. Mit ihrem bereitgehaltenen Stab in den Händen entfernte sie sich von Jeremiah. Sie wollte wenigstens einige Schritte von ihm entfernt sein, wenn sie erneut eingreifen musste.
    Sie verstand jedoch nicht gleich, weshalb Stave sie gerufen hatte. Unter dem bleiernen Himmel sah sie nur das fast unerträgliche Weiß der Knochen, den um den Hügel herum frei geräumten Kreis, die schwach geneigten Kraterwände und die lückenhaften Sandsteinplatten am Rand der Caldera. Aber die Ranyhyn hatten ängstlich gescheut. Hynyn, Hyn und Khelen hatten den Knochenhügel halb umrundet und standen sichtlich unruhig auf der anderen Seite.
    Was gibt es? Das hätte Linden den Haruchai fragen können. Was spürst du?
    Dann wusste sie es plötzlich. Sie hörte Glöckchen …
    Mit jäh anschwellendem Glockengeläut traf Infelizitas von den Elohim so plötzlich ein, wie ein Wirbelwind sich aus der Wüste erhebt.
    Stolz und majestätisch trat Infelizitas auf Linden zu. Mit Juwelen und prachtvollen Melodien geschmückt, in Seide gekleidet, die aus dem Stoff von Träumen gewoben war und wie sie glitzerte, schritt sie wie die Oberherrin der Welt einher. In dem schon nachlassenden Sonnenschein glänzte ihr Haar

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