09-Die Pfade des Schicksals
Sterblichkeit sang …
Aller Kummer gleicht der endlosen Brandung des Meeres,
Ihrem Brausen und Wogen, das keine Spuren hinterlässt,
Sondern nur Sand statt zu Stein gewordener Ewigkeit.
… bis er beinahe in seine fragmentierte Vergangenheit zurückstolperte. Doch die Terrasse führte um einen Felsvorsprung und wurde zum Boden einer weiteren Spalte in der verwitterten Klippe.
Die Sonne ging jetzt so rasch unter, dass Covenant kaum noch etwas erkennen konnte. Diese Spalte führte ohne erkennbares Ende hinunter. Schon nach ein paar Schritten bogen Naybahn und Branl mit ihm in einen Riss in der linken Felswand ab - in eine Lücke, die breit genug war, um das Ranyhyn durchzulassen.
Obwohl hier unten völlige Dunkelheit herrschte, spürte Covenant, dass er einen offenen Raum wie eine große Höhle betrat. Im ersten Augenblick glaubte er, dieser unterirdische Raum habe keinen Ausgang. Aber dann entdeckte er in Richtung See einen minimal helleren Schlitz und hörte von dort her das Rauschen der Brandung.
Salz konnte er jedoch nicht riechen. Wechselnde Luftströmungen, die in die Höhle hinein- und aus ihr herausflossen, trugen den Salzgeruch des Meeres fort.
»Hier findest du Schutz, Ur-Lord«, stellte Branl nüchtern fest. »So geschützt brauchst du den Wind nicht zu fürchten, auch wenn der Stein bestimmt kalt ist. Und weiter vorn entspringt eine gute Quelle, deren Wasser an unseren Füßen vorbeifließt, bevor es über die Klippe ins Meer stürzt.«
Covenant nickte, weil er darauf vertraute, dass der Gedemütigte sah, was er selbst nicht sehen konnte. »Was ist mit dem Pferd des Eggers?«
»Clyme und Mhornym bringen es hierher ans Wasser«, antwortete Branl. »Anschließend verlassen die Ranyhyn und dein Pferd uns bestimmt, um oberhalb der Klippen zu weiden. Aber ich erwarte, dass sie zurückkehren, sobald sie satt sind, um hier Wärme und Ruhe zu finden. Ist das der Fall, halten Clyme und ich Wache auf beiden Seiten des Einschnitts.«
Covenant nickte erneut. Er fand sich damit ab, erfrieren zu müssen, wenn drei Pferde nicht ausreichten, um die Höhle zu erwärmen. Trotzdem war er mit diesem unerwartet gut geschützten Zufluchtsort zufrieden. »Führst du mich zu einem Platz, an dem ich sitzen kann, sorge ich dafür, dass wir etwas Licht bekommen.«
Und etwas Wärme? Das hoffte er zumindest.
Branl, der Covenant am Arm gefasst hielt, führte ihn zu einer ebenen Stelle, an der er über den kleinen Bach steigen konnte. Jenseits des Wasserlaufs stieg der Boden bis zur Höhlenwand stufenförmig an. Dort setzte Covenant sich hin und zog den eingewickelten Krill vorsichtig aus seinem Hosenbund.
Er hatte Grund zu der Annahme, Loriks Dolch könne alles zerschneiden. Vor langer Zeit hatte er ihn einmal in einen Steintisch gestoßen. So sorgfältig, wie seine tauben, verstümmelten Finger es zuließen, wickelte er die Klinge aus, ohne das Metall zu berühren. Griff und Schmuckstein ließ er noch bedeckt. Nach kurzem Zögern hob er die Arme und rammte die Spitze des Krill in den Fels zwischen seinen Füßen.
Er erwartete einen Aufprall, wenn die Klinge vom Stein abrutschte. Aber die Spitze drang mühelos tief in den Fels ein. Der Krill blieb stecken und hielt unverrückbar fest.
»Donnerwetter«, murmelte er überrascht. »Wenigstens das hat geklappt.«
Mit seinen Stummelfingern wickelte Covenant die restlichen Stofflagen ab und ließ den Schmuckstein in hellem Silberglanz leuchten.
So glich der Krill einem Leuchtfeuer, aber er redete sich ein, Joan werde nicht darauf aufmerksam werden, wenn er den Schmuckstein nicht berühre.
Die plötzlich aufflammende Helligkeit erfüllte die Höhle; sie schien nicht einmal mehr Schatten zuzulassen. Branl stand scharf hervorgehoben an einem rasch fließenden kleinen Bach, der das Licht zurückwarf und wie flüssiges Silber zu einem schmalen Schlitz wie einer Schießscharte in der Befestigung der Klippe floss. Während Naybahn aus dem Bach trank, glänzte das Fell des Hengsts wie übernatürlich, und seine sternförmige Blesse leuchtete.
Die Höhle mit der schlitzförmigen Öffnung zur Außenwelt auf einer Seite und dem Felstrichter mit der Quelle auf der anderen bildete eine niedrige Kuppel. Selbst an ihrem höchsten Punkt wäre sie für einen aufrecht stehenden Riesen zu niedrig gewesen; aber die Kuppel war hoch und breit genug, um mehreren Pferden Platz zu bieten. Wände und Decke waren eigenartig glatt; das unheimliche Echo der wilden Magie des Schmucksteins ließ
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