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Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Titel: Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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    Die Frau, die kurze Zeit später einem grausamen Verbrechen zum Opfer fallen sollte, senkte andächtig den Blick in die vor ihr stehende weiße Espressotasse. Ihr Inhalt war genau so, wie er sein musste: tiefschwarz, aromatisch und mit einer sahnigen, ockerfarbenen Crema bedeckt.
    Gedankenversunken nahm sie den Zuckerstreuer in die rechte Hand, neigte ihn vorsichtig zur Seite und verfolgte gebannt den flachen Strahl der aus dem Edelstahlröhrchen herausrieselnden Kristalle. Die glitzernden Zuckerkörnchen verschmolzen auf der sämigen Crema für einen winzigen Augenblick zu einem braunen Karamellbrocken, der sich sogleich auf den Weg in Richtung des Tassenbodens machte.
    Sie hatte nie recht verstanden, wieso die meisten ihrer Zeitgenossen sich dieses eindrucksvolle Schauspiel dadurch entgehen ließen, indem sie mit einer abrupten Kippbewegung den Zucker lieblos in das dickwandige kleine Porzellantässchen hineinschütteten.
    So wie es Männer tun, diese kulturlosen Banausen! Als ob sie einen Pudding stürzen würden. Eigentlich hab ich noch keinen erlebt, der das nicht so gemacht hätte. Weil bei denen immer alles schnell gehen muss. Die können einfach nicht genießen. Anstatt dieses köstliche Getränk langsam zu schlürfen, warten sie, bis es etwas abgekühlt ist, um es dann wie einen kalten Schnaps mit einem Schwung in sich hineinzukippen, dachte sie, während sie mit einem kleinen Silberlöffel vorsichtig ihr Lieblingsgetränk mit der sirupartigen Beigabe vermischte.
    Da sie sich gänzlich unbeobachtet wähnte, streute sie als Krönung ihres Espresso-Rituals eine Prise Zucker auf die Handinnenfläche, tupfte mit der Zunge die süßen Kristalle behutsam ab und verteilte sie in ihrem Mund.
    Nun war alles vorbereitet.
    Ihre leicht geöffneten Lippen umschlossen den wulstigen Tassenrand. Genüsslich sog sie die ersten Tropfen der zartherben Flüssigkeit auf.
    Es war der letzte angenehme Sinneseindruck ihres Lebens.
     
    »Los, mach schon, du blöde Ampel – spring endlich um!«, zischte Tannenberg in Richtung der Signalanlage, die sich aber von seiner Schimpftirade völlig unbeeindruckt zeigte und ihn auch weiterhin provozierend aus ihrem leuchtendroten Glasauge angrinste.
    Wie ein nervöses Rennpferd, das mit allen Fasern seines athletischen Körpers dem erlösenden Öffnen der Startbox entgegenfiebert, wartete er ungeduldig auf die Grünphase.
    Wenn sich auch nur eine kleine Lücke aufgetan hätte, ich wäre schnell bei Rot hinübergehuscht – egal, ob an dieser verdammten Ampel Kinder stehen oder nicht, grollte es in seinem Innern.
    Die langsam in beide Fahrtrichtungen, Stoßstange an Stoßstange dahinkriechenden Blechkarawanen ließen ihm jedoch nicht die geringste Chance.
    Obwohl sein Körper von der Fußsohle bis zum Scheitel von einer enormen Anspannung beherrscht wurde, hatte er die äußerst suspekte Person natürlich gleich bemerkt, die auf der anderen Straßenseite hektisch hin und her lief, ab und an einen kurzen, verstohlenen Blick in das Innere des Postgebäudes warf und schließlich hinter einer Hausecke verschwand.
    Aber solange dieser Kerl nicht gerade jetzt irgendjemanden ermordet oder selbst ermordet wird, bin ich nicht zuständig! Außerdem hab ich heute dienstfrei, huschte ein Anflug von klammheimlicher Freude über sein strapaziertes Gemüt. – Verdammter Blechkasten, wenn du jetzt nicht gleich spurst, montier ich dich nachher ab und werf dich in die Schrottpresse!
    Die massive Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht, denn plötzlich lächelte die eingeschüchterte Ampel in ihrem freundlichsten Grün wohlwollend auf ihn herab.
    Triumphierend setzte sich der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission sofort in Bewegung und erhöhte umgehend seine Schrittfrequenz, schließlich hatte er es eilig – mehr als eilig; denn anhand der überdimensionierten Uhr, die ihm von der frisch renovierten Bahnhofsfassade herunter ihren großen schwarzen Zeigefinger mahnend entgegenstreckte, konnte er sich davon überzeugen, dass der Intercity aus Mannheim bereits eingelaufen sein musste.
    Mit kurzen, schnellen Trippelschritten eilte er hinunter in die von kaltem Neonlicht durchfluteten Katakomben.
    Gleis 5. Da ist es ja schon, stellte Tannenberg erleichtert fest und spurtete hektisch die schwarzgelben Betonstufen hinauf.
    Wo ist der Zug, wo sind die Passagiere, pochte es hinter seiner Schädeldecke.
    Hechelnd wie ein erfolgloser Jagdhund, der gerade abgehetzt zu seinem Besitzer zurückkehrte, blickte er

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