09-Die Pfade des Schicksals
Stahl, der keine Korrosion etwas hätte anhaben können, umklammerte seine Taille. Branl und Clyme zogen und schoben ihn zwischen sich die Felswand entlang.
Der Einschnitt war Hunderte von Meilen weit entfernt. Covenant, der sich am Rand einer Panik befand, würde ein Erdzeitalter brauchen, um diese Strecke zu überwinden. Aber die Gedemütigten ließen sich von der scheinbaren Unmöglichkeit ihrer Aufgabe nicht abschrecken. Ohne im Geringsten auf Covenants frenetisch stotternden Puls zu achten, bugsierten sie ihn zu dem Spalt in der Felswand, zum Eingang des Labyrinths hinüber.
Als er endlich mit gewachsenem Fels unter den Stiefeln zwischen massiven Felswänden stand, taumelte er vor Erleichterung; er wäre fast auf die Knie gesunken. Aber seine Gefährten hielten ihn weiter aufrecht.
Hier drinnen gab es überhaupt kein Licht mehr. Die schwächer gewordenen Flammen der Feroce reichten nicht bis in den Einschnitt hinein.
Weiter nach Atem ringend keuchte Covenant: »Erinnert die Ranyhyn daran, was ich gesagt habe. Schickt sie notfalls weg. Sie dürfen uns nicht folgen. Doch später brauchen wir sie.« Dann schaffte er es, hinzuzufügen: »Danke … ich danke euch.«
»Wir sind die Gedemütigten«, antwortete Branl ausdruckslos. »Meister und Haruchai. Wir brauchen keinen Dank.
Auf den Ebenen von Ra haben sich die Ranyhyn vor dir aufgebäumt. Sie werden deine Wünsche respektieren.«
»In diesem Fall…« Covenants Schwindel klang allmählich ab. Entsetzen und der grausige Drang, sich in den Abgrund zu stürzen, wichen Schritt für Schritt aus seinen Nerven. Die Haruchai fürchteten Kummer. Er war ihre einzige lähmende Schwäche. Natürlich wollten sie auch keine Dankbarkeit. »Wir müssen weiter. Ich brauche eine Art Lichtung. Eine kleine freie Fläche. Vielleicht können wir eine finden, bevor die Skest wieder angreifen.«
Im Hintergrund seiner Gedanken braute sich ein Sturm aus Ungeduld und bösen Vorahnungen zusammen. Aber er protestierte nicht, als Clyme und Branl unbeweglich stehen blieben. Er stand noch nicht wieder fest genug auf den Beinen, um allein gehen zu können.
Die beiden warteten, bis er wieder stehen konnte, ohne gestützt zu werden, bis er ein paar Schritte tiefer in den Einschnitt machte und sich nach ihnen umdrehte. Dann fragte Clyme: »Ur-Lord, was hast du vor? Die Skest werden uns auflauern. Jeden Augenblick kann eine Zäsur über uns herfallen. Deine frühere Gefährtin ist mit unseren Sinnen nicht aufzuspüren. Wir werden dir besser dienen können, wenn wir deine Absichten verstehen.«
Covenant verwünschte sich selbst. Er blieb so dicht an der Wahrheit, wie er sich traute, als er jetzt antwortete: »Ich fürchte mich davor, das laut zu sagen. Ihr habt mir gesagt, dass ihr nicht wisst, wie weit Turiya Herems Sinne reichen. Wenn er mich hört … wenn er auch nur vermutet, was ich …« Ihn durchlief ein Schauder. Wie leicht konnten seine Absichten durchkreuzt werden! »Ich werde etwas tun, das fast so verrückt ist, wie Joan selbst. Und ihr müsst mich weiter begleiten. Ihr habt mir gerade das Leben gerettet, doch ihr müsst weitermachen.« Er breitete in der Dunkelheit die Hände aus, um den Gedemütigten seine Hilflosigkeit zu demonstrieren. »Wollt ihr das nicht tun, ist das euer gutes Recht. Ich mache euch deswegen keine Vorwürfe. Aber ich brauche euch an meiner Seite.«
Er hatte immer Gefährten gebraucht. Freunde. Leute, denen er etwas bedeutete und die das Land liebten.
Die Gedemütigten verharrten endlose Sekunden lang unbeweglich. Vielleicht diskutierten sie miteinander; debattierten über die Anforderungen ihrer selbst gewählten Rolle. Dann schienen sie zu nicken.
Clyme trat vor. »Ich übernehme die Führung, während Branl uns den Rücken freihält. Die Haruchai wissen nichts über dieses Labyrinth. Die wenigen Bluthüter, die sich hineingewagt haben, sind nicht zurückgekehrt - außer Korik, Sill und Doar, die nichts darüber berichtet haben. Aber unsere Wahrnehmungsgabe übertrifft deine. Wir werden eine Lichtung oder freie Fläche suchen, die deinen Wünschen entspricht.«
Statt den Gedemütigten nochmals zu danken, legte Covenant Clyme zur Bestätigung kurz seine Halbhand auf die Schulter. Danach folgte er ihm einfach.
Joan würde versuchen, ihn zu ermorden. Ihr blieb keine andere Wahl. Vor langer Zeit hatte sie nicht nur ihn, sondern auch sich selbst verraten, als sie ihm den Rücken gekehrt hatte. Eine Zukunft, die ihnen beiden Platz bot, konnte es nicht
Weitere Kostenlose Bücher