09-Die Pfade des Schicksals
haben.
Mähnenhüter Mahrtür, Bhapa, Pahni und mir fehlt die vererbte Erdkraft, die Haruchai und Riesinnen vor allem anderen auszeichnet. Sogar Anele besitzt Macht, über die wir nicht verfügen. Trotzdem haben wir in deinem Namen gekämpft. Wir haben es mit Dämondim und Skurj, Kresch und Höhlenschraten aufgenommen. Und wir haben zwei Zäsuren überdauert. In der zweiten habe ich deine Gedanken mit dir geteilt und so den Schmerz und die Kraft, und das Dunkel und die Sehnsucht erfahren, die deinen Geist ausmachen.
Willst du nicht anerkennen, dass wir uns entschlossen haben, bei dir zu bleiben, obwohl wir wissen, dass du den Weltuntergang riskiert hast? Willst du nicht zulassen, dass unser Vertrauen deinen Kummer mildert?«
Linden konnte ihn nicht ansehen. Sie konnte ihm ihr Verhalten auch nicht erklären. Stattdessen sagte sie leise: »Ich hätte Mitleid mit Elena haben sollen, aber ich konnte es nicht. Ich bin froh, dass du mich begleitest. Ich bin froh, dass ihr alle mitkommt. Aber ich bin zerbrochen wie Covenant. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen - irgendwo - und weiß nicht, wie ich wieder herauskommen soll.«
Sie spürte, wie Liand sich bei ihrer Antwort versteifte. Zunächst glaubte sie, ihn verletzt zu haben, aber dann verstand sie. Er fühlte sich nicht abgewiesen, sondern griff auf die Würde zurück, mit der er oft auf ihre Versuche, ihn zu verschonen, reagiert hatte.
»Dann«, erklärte er ihr streng, »gibt es keinen anderen Weg für dich. Du musst ihn gehen oder untergehen. Erhebe dich jetzt und gestatte dem Egger, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Mit jeder Verzögerung wird deine Lage und die deines Sohns misslicher.«
Trotz ihrer Verwirrung war Linden überrascht, dass Liand aus Steinhausen Mithil die Autorität besaß, ihr Anweisungen zu erteilen. Er schüchterte sie ein; das tat er wirklich. Und lieferte ihr zugleich neue Gründe, ihm dankbar zu sein.
»Also gut«, antwortete sie schließlich. »Ich habe verstanden. Lass mir nur noch einen Augenblick Zeit. Sag allen, dass sie sich marschbereit machen sollen. Wir brechen bald auf.«
Als Liand jetzt aufstand und sich abwandte, schien er einen Teil ihrer strudelnden und wirbelnden Emotionen mitzunehmen.
»Seilträger«, hörte sie Mahrtür sagen, »unsere Gesellschaft braucht Wasser und Verpflegung. Wir haben viel ohne Rast und Nahrung durchgemacht. Jetzt brauchen wir Aliantha und einen Wasserlauf, an dem wir unseren Durst stillen können.«
Bhapa beeilte sich, dem Befehl seines Mähnenhüters nachzukommen, und Pahni zögerte lange genug, um Liand einen sehnsüchtigen Blick zuzuwerfen, aus dem heimliche Sorge sprach. Dann gehorchte auch sie.
»Aye, Mähnenhüter«, bestätigte die Eisenhand. »Die Ramen sind ebenso vorausschauend wie höflich. Aus vielen Gründen trauern wir um die Riesen, die das Land Entwurzelte nennt. Zu unserem Kummer trägt bei, dass ihr Schicksal uns daran gehindert hat, ihre Geschichten über die Ramen und die Ranyhyn zu hören.«
Während seine Seilträger in entgegengesetzte Richtungen davontrabten, antwortete Mahrtür: »Eure Gesellschaft hat sich schon oft als segensreich erwiesen. Ich bezweifle nicht, dass das auch weiter der Fall sein wird. Aber die Ramen sind kein redegewandtes Volk. Und selbst für ihre Begriffe gelte ich als wortkarg. Aber auch wenn mein Mund leer ist, ist mein Herz übervoll.«
»Du stellst dein Licht unter den Scheffel, Mähnenhüter«, erwiderte Gutwind schmunzelnd. »Wären wir im Zweifel, ob wir zu Linden Riesenfreundin halten sollen - was wir nicht sind -, würden wir trotzdem freudig einem Mann folgen, der spricht wie du.«
Also gut, sagte Linden sich. Du kannst es schaffen. Bloß noch eine letzte Anstrengung. Los, fang schon an! Und dann hob sie den Kopf und kam langsam auf die Beine.
Covenant hielt die Augen geschlossen und schien im Stehen zu schlafen, aber Linden spürte den Aufruhr, der in ihm herrschte. Der im Hosenbund seiner Jeans steckende Krill pulsierte ab und zu von neuer Hitze. Vielleicht stellte Joan, von Turiya angeleitet, seine Verwundbarkeit auf die Probe. Der Wüterich und sie waren zweifellos stärker geworden, als Linden Covenant aus dem Bogen der Zeit herausgebrochen hatte. Sie würden ihn verletzen oder töten, wenn sich Gelegenheit dazu bot. Vorerst jedoch gaben sie sich offenbar damit zufrieden, ihn zu testen und abzuwarten.
Linden wollte Covenant fragen, was mit Andelain und den Flammengeistern geschehen würde, wenn die geheimnisvolle Kraft von
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