09-Die Pfade des Schicksals
erinnerte. »Im Salva Gildenbourne. Als wir vor dem ersten Angriff der Skurj die Riesinnen kennengelernt haben. Er hat im Sand etwas gehört oder gelesen.« In den Überresten von Felsen, die schon alt gewesen sein mussten, als Covenant erstmals in das Land gekommen war. Dort hatte Anele von der Notwendigkeit gesprochen, das Böse zu verbieten - eine Notwendigkeit, die einst der Koloss am Wasserfall verkörpert hatte. Aber diese Macht existierte längst nicht mehr. Sie war mit dem Verschwinden des Einholzwaldes und der Forsthüter untergegangen. Ohne Verbot reicht die Zeit nicht aus.
»Aye«, bestätigte Liand. »Und damals hat er dich angewiesen: ›Suche gewachsenen Fels. Das älteste Gestein. Nur dort hat sich die Erinnerung erhalten.« Aber woraus schließt du, dass dein Sohn unter der Erde eingekerkert ist?«
Vergiss Verstehen. Vergiss Absichten. Vergiss die Elohim. Auch sie sind gefährdet. Auch das hatte Anele damals gesagt. Wie so viele Äußerungen des Alten war auch diese drängend wie eine Prophezeiung und ebenso rätselhaft gewesen. Jetzt - zu spät - verstand Linden, was er gemeint hatte.
Und sie verstand noch etwas anderes. Stand er auf gewachsenem Fels oder wenigstens auf Resten davon, verkündete Anele Wahrheiten. Auch wenn sie vielleicht nicht alle verstand, musste sie sie hören und sich möglichst daran halten.
Du musst wie Bäume, wie Baumwurzeln werden. Gewachsenen Fels suchen.
Linden zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht mit Sicherheit. Aber Lord Foul versteckt seine Geheimnisse mit Vorliebe unter Gestein. Nichts anderes ist stark genug, um sie zurückzuhalten.«
»Das muss ich glauben«, gab der junge Mann zu. »Trotzdem fürchte ich um Anele. Der Zweck, der unter seinem Wahnsinn lauert …« Liand schüttelte sich, um seine vor Beklommenheit verspannten Schultern zu lockern. »Linden, ich fürchte nicht nur um ihn. Aus Gründen, die ich nicht nennen kann, fürchte ich Anele selbst, obwohl er nie jemandem schaden würde, wenn er nicht gerade besessen ist.«
Linden erwiderte den besorgten Blick des Steinhauseners nur flüchtig. Dann sah sie weg. »Wahrscheinlich solltest du auf deinen Instinkt vertrauen. Aber was du spürst, nehme ich nicht wahr. Ich habe den Eindruck, dass er für sich selbst gefährlicher ist als für sonst jemanden.« Nach kurzer Pause fügte sie hinzu: »Ich wollte, ich wüsste, was Sunder und Hollian zu ihm gesagt haben. Oder was sie für ihn getan haben. Ich wollte, ich wüsste, was sie über ihn wissen.«
Aber sie hatte niemanden, den sie hätte fragen können. Wenn Covenant nicht zufällig eine einschlägige Erinnerung hatte und imstande war, sie zu erklären, konnte sie nur darauf warten, dass die Ereignisse die Gründe für Aneles Verhalten aufdeckten. Also tat sie das Einzige, was sie in ihrer Situation tun konnte: Sie wartete.
Wenig später kehrten die beiden Seilträger zurück. Bhapa und Pahni brachten Hände voller Schatzbeeren, und Bhapa hatte jenseits des Ostrandes der Senke einen Bach entdeckt.
Raureif Kaltgischt und ihre Schwertmainnir überließen es den Haruchai und den Ramen, Wache zu halten, und schwärmten in verschiedene Richtungen aus - einige suchten weitere Aliantha, andere nahmen den Weg zum Wasser. Während Bhapa und Pahni die üppig grünen Beeren Linden und Liand, Anele und Stave anboten, versuchte Branl die Aufmerksamkeit des Zweiflers zu wecken. Aber Covenant blieb in seinen Erinnerungen gefangen.
Linden aß ein paar Beeren, nachdem Anele sich die Hände hatte füllen lassen. Sie würde mehr brauchen; das wusste sie. Und sie würde auch an den Bach gehen müssen. Vorerst aber schickte sie Liand, Pahni und Bhapa zur Wasserstelle und suchte eine Gelegenheit, mit dem Eifrigen zu sprechen.
Nur von Stave und Mahrtür begleitet stieg sie den sanft geneigten Hang zu dem grellbunten Insequenten hinauf. Der Egger beobachtete sie misstrauisch, als sie näher kam, sagte aber nichts. Er hielt Covenants Ring in einer Faust umklammert, als versuchte er, mit bloßer Kraft wilde Magie aus ihm herauszupressen. Den Stab des Gesetzes hielt er wie einen Schild an seine Brust gedrückt.
»Lady.« Der Eifrige verbeugte sich mit einer Fanfare aus flatternden Bändern. »Zweifellos nähert sich der Augenblick, in dem wir dieses Tal der Tränen verlassen werden. Und zweifellos sind wir uns in der Hoffnung einig, dass angenehmere Ereignisse vor uns liegen. Offenbar bleiben jedoch Ungewissheiten, die dich bedrücken. Ich will gern versuchen,
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