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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Obliegenheiten am liebsten in seine eigene Hand, und man hatte auch allen Grund, sie ihm zu überlassen, da er im Anschleichen und Kundschaften ein geradezu unerreichbarer Meister war. Wir trieben unsere Pferde, nachdem wir abgestiegen waren, in das Gebüsch bis an den Bach, wo sie trinken konnten, und setzten uns da nieder, um auf die Rückkehr des Apachen zu warten. Seine Abwesenheit konnte, falls wirklich Osagen in dem Wäldchen waren, mehrere Stunden dauern; doch war höchstens eine halbe vergangen, als er wieder bei uns erschien und uns meldete:
    „Ein Bleichgesicht sitzt unter dem Baum der Lanze und wartet auf die Rückkehr eines roten Kriegers, welcher einen halben Tag lang dort gewesen und dann fortgeritten ist, um Fleisch zu machen.“
    Mir genügten diese Angaben, welche den großen Scharfsinn des Apachen bestätigten, vollständig. Dick Hammerdull aber, dem sie nicht ausführlich genug erschienen, erkundigte sich:
    „Ist der Häuptling der Apachen mitten drin im Wäldchen gewesen?“
    Winnetou nickte. Der Dicke fuhr fort:
    „Er hat also keinen Indianer gesehen?“
    Winnetou schüttelte den Kopf.
    „Wer mag wohl der Weiße sein, welcher unter dem Baum sitzt?“
    „Old Wabble“, antwortete der Apache kurz.
    „Donner und Doria! Was mag der alte Cowboy dort wollen?“
    Winnetou zuckte die Achsel; dann fragte Hammerdull weiter:
    „Was für ein Indianer ist es wohl, auf den Old Wabble wartet?“
    „Schahko Matto (‚Sieben Bären‘), der Kriegshäuptling der Osagen.“
    „Schahko Matto? Kenne den Kerl nicht. Habe noch nie von ihm gehört. Kennt ihn der Häuptling der Apachen?“
    Winnetou nickte wieder. Er ließ sich nie gern in dieser Weise ausfragen, und ich wartete mit stillem Vergnügen auf den Zeitpunkt, an welchem seine Geduld zu Ende gehen würde. Der kleine Dicke aber setzte seine Erkundigungen neugierig fort:
    „Ist der Rote ein tapferer oder feiger Kerl?“
    Diese Frage war höchst überflüssig, Schahko Matto heißt ‚Sieben Bären‘; es sind da Grizzlys gemeint. Auch pflegt ein feiger Indianer nicht auf Kundschaft zu gehen. Wer sieben graue Bären erlegt hat und ohne alle Begleitung den Kriegspfad betritt, muß Mut besitzen. Darum beantwortete Winnetou diese Frage nicht, und dies war für Hammerdull Grund, sie zu wiederholen. Als er auch hierauf keine Antwort bekam, sagte er:
    „Warum spricht Winnetou nicht weiter? Es ist doch höchst vorteilhaft, zu wissen, ob man es mit einem feigen oder tapfern Mann zu tun hat. Darum habe ich meine Frage zweimal ausgesprochen.“
    Da wendete Winnetou, welcher bisher vor sich hin geblickt hatte, ihm sein Gesicht voll zu und entgegnete in jenem milden und doch so ungeheuer abweisenden Ton, den ich nur bei ihm gehört und gefunden habe:
    „Warum hat mein Bruder Old Shatterhand mich nicht gefragt? Warum ist er still gewesen? Man soll erst denken und dann sprechen, denn es ist eine Verschwendung der Zeit, sich nach Dingen zu erkundigen, die man sich so leicht denken kann. Zum Denken gehört nur ein Mann, zum Sprechen aber sind wenigstens zwei nötig. Warum sollen sich zwei mit Sprechen befassen, wenn einer dieselbe Sache durch Nachdenken erledigen kann? Mein weißer Bruder Hammerdull muß sehr viel Gehirn besitzen und ein guter Denker sein; wenigstens ist er dick genug dazu!“
    Ich sah, daß der Zurechtgewiesene zunächst zornig auffahren wollte; aber die Hochachtung, welche er Winnetou widmete, veranlaßte ihn, sich zu beherrschen, und so antwortete er in ruhigem Ton:
    „Ob dick genug oder nicht, das bleibt sich nicht nur gleich, sondern das ist sogar ganz und gar egal; nur muß ich so frei sein, zu bemerken, daß ich nicht mit dem Bauch denken kann, weil das Gehirn bekanntlich nicht im Leib sondern im Kopf zu suchen ist. Habe ich da nicht recht, Pitt Holbers, altes Coon? Sag mir das doch!“
    „Nein“, antwortete der Gefragte in seiner kurzen Weise.
    Es geschah nicht oft, daß der Dünne dem Dicken einmal unrecht gab; darum rief Dick Hammerdull sehr verwundert aus:
    „Nicht? Ich habe nicht recht? Warum nicht?“
    „Weil du Fragen ausgesprochen hast, welche vermuten lassen, daß du das Gehirn allerdings nicht im Kopf, sondern in derjenigen Körpergegend hast, wo bei andern, richtig gebauten Leuten die Milz oder die Leber liegt.“
    „Was? Du willst mich foppen? Höre, Pitt Holbers, altes Coon, wenn du dich auf diese schlechte Seite legst, so kann es leicht – – –“
    Ich unterbrach ihn durch einen Wink meiner Hand, welcher ihm Schweigen

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