09 - Old Surehand III
am Fluß hinzog, und gelangten dann wieder auf die offene Prärie. Kaum hatten wir das Gesträuch hinter uns, so erblickten wir eine Fährte, welche sich in einer Entfernung von vielleicht fünfhundert Schritten in zu dem Fluß paralleler Richtung hinzog. Dick Hammerdull deutete mit dem Finger auf sie hin und sagte zu seinem hageren Freunde:
„Siehst du den dunkeln Strich da drüben in dem Gras, Pitt Holbers, altes Coon? Was meinst du, was das ist? Bloß ein Gedankenstrich oder eine menschliche Fährte?“
„Wenn du meinst, daß es eine Fährte ist, so habe ich nichts dagegen, lieber Dick“, antwortete der Gefragte in seiner trockenen Weise.
„Ja, es ist eine Spur. Wir müssen hin, um zu sehen, aus welcher Richtung sie kommt und nach welcher sie führt.“
Er glaubte, daß wir derselben Ansicht seien und hinreiten würden; aber Winnetou lenkte, ohne ein Wort zu sagen, nach rechts und führte uns, ohne sich um die Spur zu kümmern dem nahen Ufer entlang. Hammerdull konnte das nicht begreifen und wendete sich deshalb an mich:
„Warum wollt ihr denn nicht hin, Mr. Shatterhand? Wenn man im wilden Westen eine unbekannte Fährte sieht, muß man sie doch lesen; die Sicherheit gebietet das!“
„Allerdings“, nickte ich zustimmend.
„Also! Wir müssen unbedingt erfahren, welche Richtung sie hat!“
„Von Ost nach West natürlich.“
„Wieso von Ost nach West? Das kann kein Mensch wissen, bevor er sie genau untersucht hat. Sie kann auch von West nach Ost gehen.“
„Wenn kein Mensch das wissen kann, so sind wir beide, Winnetou und ich, keine Menschen, denn wir wissen es.“
„Unmöglich, Sir!“
„Pshaw! Wir haben jetzt einige Tage lang den Wind aus West gehabt, und ihr könnt euch überzeugen, daß infolgedessen alles Gras mit den Spitzen nach Osten liegt. Jeder gute Westmann weiß, daß eine Fährte mit diesem Strich nicht so deutlich ist als eine solche gegen denselben. Die Spur da drüben ist wenigsten fünfhundert Schritte entfernt; daß wir sie trotz dieser weiten Entfernung sehen, ist ein Beweis, daß sie gegen den Strich, also von Osten nach Westen geritten ist.“
„All devils, ist das scharf gedacht! Darauf wäre ich nicht gekommen! Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?“
„Wenn du denkst, daß ich dich für dumm genug halte, nicht auf diesen pfiffigen Gedanken zu verfallen, so hast du recht“, nickte Holbers.
„Recht oder nicht, das bleibt sich gleich. Jedenfalls hast du die Klugheit auch nicht schockweise von den Bäumen geschüttelt; das merke dir! Aber, Mr. Shatterhand, wir müssen die Fährte dennoch untersuchen, denn es gilt, zu erfahren, von wem und von wieviel Personen sie kommt.“
„Warum deshalb fünfhundert Schritte weit aus unserer Richtung weichen? Ihr seht doch, daß wir sehr bald mit ihr zusammentreffen werden!“
„Richtig! Auch daran habe ich nicht gedacht. Da hat man sich so viele Jahre lang für einen guten Westmann gehalten und muß nun hier am alten Republican-River einsehen, daß man noch viel zu lernen hat! Ist das nicht wahr, Mr. Shatterhand?“
„Lobenswerte Selbsterkenntnis! Aber wer seine Fehler und Mängel erkennt, befindet sich schon auf dem Wege der Besserung; das ist ein Trost für jeden Menschen, der sich sagt, daß er noch fern vom Meister stehe.“
Wir hatten uns noch nicht weit von der Furt entfernt, so machte der Fluß einen scharfen Winkel nach Norden und gab die Prärie nach Westen frei. Ein grüner Streifen, welcher aus dieser letzteren Richtung im Norden auf den Buschsaum des Republican-River stieß, ließ einen kleinen Wasserlauf vermuten, der sich rechts, weit von uns, mit dem Fluß vereinigte. Dieser Bach wand sich in vielen Krümmungen seinem Ende zu. Der äußerste Punkt des letzten Bogens, den er schlug, war durch ein Wäldchen bezeichnet, welches, vielleicht eine englische Meile weit, uns gegenüberlag. Wir hielten an, denn die Fährte, von welcher wir gesprochen hatten, kam plötzlich von links herüber an die Ecke des Flusses, an welcher wir uns befanden. Es war die Spur eines einzelnen Reiters, welcher hier eine kurze Zeit gehalten hatte. Er war nicht abgestiegen. Die Stapfen der Vorderhufe seines Pferdes bildeten einen Halbkreis, auf dessen Mittelpunkt die Hinterhufe gestanden hatten. Daraus war zu schließen, daß der aus Osten gekommene Mann sich nach den drei andern Himmelsrichtungen umgesehen, also wohl irgend etwas gesucht hatte. Hierauf war er in schnurgeradem Galopp nach dem vorhin erwähnten Wäldchen
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