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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geritten. Folglich mußte dieses der Ort sein, den er gesucht hatte. Dieser Gedanke lenkte unsere Blicke in die angegebene Richtung. Wenn ich sage ‚unsere Blicke‘, so meine ich Winnetou und mich, denn unsere drei Gefährten dachten nicht so scharf wie wir.
    Eigentlich konnte es uns sehr gleichgültig sein, wer der Reiter gewesen war, und zunächst bot das Wäldchen auch gar keinen Grund zur besonderen Aufmerksamkeit; aber die Fährte war kaum eine halbe Stunde alt, und das war für uns Grund genug, die gebotene Vor- oder vielmehr Umsicht walten zu lassen.
    „Uff! Wo-uh-ke-za!“ ließ sich da der Apache hören, indem er den Arm hob, um mir einen ganz bestimmten Punkt des Wäldchens zu bezeichnen.
    ‚Wo-uh-ke-za‘ ist ein Dakota-Wort und bedeutet eine Lanze. Warum bediente sich Winnetou nicht des betreffenden Apachenworte? Ich sollte den Grund sehr bald erfahren und da wieder einmal, wie schon oft, bemerken, was für scharfe Augen er besaß. Der Richtung seines ausgestreckten Armes folgend, bemerkte ich am Rande des Wäldchens einen Baum, welcher einen seiner Äste weit vorstreckte; auf diesen Ast war senkrecht eine Lanze befestigt; das sah auch ich, obgleich weder Hammerdull noch Holbers oder Treskow sie erkennen konnten. So weit von uns entfernt, glich sie einem Bleistiftstrich am von der untergehenden Sonne rot gefärbten Himmel. Wären wir nicht durch die Fährte auf das Wäldchen aufmerksam gemacht worden, so hätte keiner von uns diese Lanze bemerkt. Sie mußte jedem entgehen, der nicht ganz nahe am Wäldchen vorüberkam. Als Dick Hammerdull von ihr hörte, sagte er:
    „Ich kann sie nicht sehen; aber wenn es wirklich so ein Spieß ist, wie ihr denkt, so weiß jedermann, daß Lanzen nicht auf Bäumen wachsen. Es muß also ein Zeichen sein!“
    „Das Zeichen eines Dakota“, nickte Winnetou.
    „So ist es eine Dakota-Lanze?“ fragte der Dicke im höchsten Grad erstaunt.
    „Ja; nur weiß ich noch nicht, von welchem Volk der Dakota.“
    „Ob Volk oder nicht, das bleibt sich ganz egal! Es ist schon überhaupt ein staunenswertes Wunder, daß es Augen gibt, die auf eine Meile hin diese Lanze als Spieß erkennen können. Die Hauptsache ist die Frage, ob wir etwas mit ihr zu schaffen haben.“
    Da diese Worte an mich gerichtet waren, so antwortete ich:
    „Sie kann uns natürlich nicht gleichgültig sein. Es gibt außer den Osagen hier keine Dakota, und weil wir wissen, daß die Osagen jetzt die Kriegsbeile ausgegraben haben und diese Lanze ein Zeichen für irgend jemand bildet, so versteht es sich ganz von selbst, daß wir die Bedeutung dieses Zeichens kennenlernen müssen.“
    „So reiten wir hinüber?“
    „Ja.“
    „So kommt!“
    Er wollte seine alte Stute in Bewegung setzen; ich griff ihm aber in die Zügel und warnte:
    „Wollt Ihr Eure Haut zu Markte tragen? Die Lanze hat als Zeichen sehr wahrscheinlich zu bedeuten, daß Osagen da drüben stecken und auf irgend jemand warten oder vielmehr gewartet haben, denn der Reiter, dessen Spuren wir hier sehen, ist zu ihnen hinübergeritten und scheint sich vorher nach der Lanze umgeschaut zu haben. Wenn wir ihm direkt auf seiner Fährte folgen, müssen wir gesehen werden. Hoffentlich seht Ihr das ein, Dick Hammerdull!“
    „Hm! Ob ich es einsehe oder nicht, das bleibt sich gleich; aber richtig ist's, was Ihr da sagt, Mr. Shatterhand. Meint Ihr denn, daß sie uns noch nicht gesehen haben?“
    „Ja, das meine ich. Wir stechen von dem Gesträuch, an dem wir uns hier befinden, nicht im geringsten ab und können also noch nicht bemerkt worden sein. Dennoch müssen wir schleunigst von hier fort. Kommt also; Ihr seht, daß Winnetou diese Stelle schon verlassen hat!“
    Der Apache, wie stets ein Mann der Tat, hatte nicht auf unsere Rede geachtet und war, sich vorsichtigerweise nordwärts wendend, fortgeritten. Wir folgten ihm, bis wir das Wäldchen aus den Augen verloren hatten, und wendeten uns dann nach Westen, um den Bach zu erreichen. Als wir bei ihm angekommen waren, brauchten wir ihm nur aufwärts zu folgen, um im Schutz der Büsche von Norden her an das Wäldchen zu kommen. Da hielt Winnetou an, stieg vom Pferd, gab mir seine Silberbüchse aufzuheben und sagte:
    „Meine Brüder werden hier warten, bis ich wiederkomme und ihnen sage, wen ich am Baum der Lanze gesehen habe!“
    Er hatte also vor, als Kundschafter nach dem Wäldchen zu gehen, und kroch in das Gesträuch, um die Lösung seiner nicht leichten Aufgabe anzutreten. Er nahm dergleichen

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