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091 - Die Braut des Hexenmeisters

091 - Die Braut des Hexenmeisters

Titel: 091 - Die Braut des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Willow
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den der Hexenmeister in der Hand hielt. Dann breitete sich der Funke rasend schnell zu einer grünen gleißenden Flamme aus, die das Gewand des Hexenmeisters erfaßte. Schreiend wehrte sich der Hexenmeister gegen die grüne Flamme, die ihn einhüllte wie ein brennender Käfig.
    In wenigen Sekunden war alles vorbei. Der Hexenmeister war nur noch ein rauchendes Häufchen Asche. Als Manon wieder aufzublicken wagte, hatte ein Windstoß die Asche schon zur offenen Balkontür hinausgetragen und über Paris verstreut.
    Auf dem Tisch lag nur noch ein alter verwitterter Totenschädel. Draußen flatterte aufgeregt eine Fledermaus. Die Sterne glitzerten und flirrten seltsam. Manon seufzte tief und trat im gleichen Augenblick wieder über die Schwelle der Zeit in die Gegenwart zurück.
    Jemand knipste das elektrische Licht im Turmzimmer an. Yvette erwachte aus ihrer Trance.
     

     
    Jean Dougnac war an diesem Tag todmüde. Er hatte bis spät in die Nacht hinein im Institut für sein Examen gearbeitet. Und dazu hatte sein Professor ihm noch eine Sonderaufgabe gegeben, weil Jean sich bei ihm als Chirurg spezialisieren wollte. Er sollte bis zur nächsten Vorlesung einen Gehörgang aus einem Kopf operieren. Und dazu brauchte er einen Kopf aus der Anatomie.
    Also ging Jean Dougnac noch einmal gähnend hinunter in die Kältekammer der Universität und suchte etwas Passendes.
    Leichen waren rar und kostbar. Sie kamen so lange auf die Seziertische der Studenten, bis auch das letzte Teilchen für Lehrzwecke verwendet und präpariert worden war. Deshalb durfte er die noch frischen, ganzen Leichen nicht antasten.
    Er mußte viele Fächer aufziehen, bis er endlich das Richtige fand – einen Kopf, der schon lange in der Konservierungsflüssigkeit gelegen hatte. Einen Kopf, der nur noch eine Gesichtshälfte und ein Ohr hatte. Das genügte. Jean trug seinen Namen in das Anatomiebuch ein, steckte den Kopf in eine Plastiktüte und sperrte die Kältekammer ab. Er wollte den Gehörgang morgen früh zu Hause herausoperieren. Das war kein Problem, obwohl es eigentlich verboten war, Leichenteile mit nach Hause zu nehmen.
    Jean Dougnac war ehrgeizig. Aber es wurde ihm nichts geschenkt. Seine Freunde an der Universität hatten alle Väter und sogar noch Großväter, die gut verdienten oder ein Vermögen besaßen und dafür sorgten, daß der Sprößling in aller Ruhe studieren konnte.
    Bei ihm war es anders. Seine Mutter arbeitete in einem Büro, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Er erhielt nur eine kleine Studienunterstützung vom Staat als Halbwaise. Jean schüttelte den Kopf, während er durch die verlassenen Straßen ging. Er war zwar nicht abergläubisch, aber in seiner Familie lebten die Männer nicht lange. Seinen Großvater hatte mit zweiundzwanzig Jahren ein Blitz getötet. Sein Vater war mit vierundzwanzig Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Für die Dougnacs galt der Wahlspruch: Zeuge ein Kind, ehe es zu spät ist.
    Jean lächelte, als er an Manon dachte. Er würde gern ein Kind mit ihr zeugen. Aber vorher wollte er sein Examen bestehen und sie heiraten.
    Es war schon nach Mitternacht. Um rascher zu Hause zu sein, beschloß er den Weg abzukürzen, als er zu dem alten kleinen Friedhof im Quartier Latin kam.
    Ein leichter Nebelschleier lag über dem wolkenlosen Himmel. Das Licht der Mondsichel und der Sterne reichte aus, um ihm den Weg durch den unbeleuchteten Friedhof zu zeigen.
    Er kam gerade an einem Marmorengel vorbei, der von Efeu überwachsen war und dem eine Hand fehlte, als er eine Gestalt vor sich auf einer Grabumfassung kauern sah.
    Jean stockte kurz, und sein Herz schlug plötzlich schneller. Ach was, dachte er, du hast vor einer alten Frau Angst? Lächerlich! Er ging weiter.
    Als er gerade an der alten Frau, die sich in eine zerrissene Decke gewickelt hatte, vorbeigehen wollte, hob sie den Kopf.
    „He, mein Junge“, sagte sie mit hohler, rauher Stimme. „Ich habe hier auf dich gewartet.“
    Jean wich so hastig zur Seite, daß er fast über eine rostige Kette gestolpert wäre, die das Grab gegenüber einsäumte. Lähmende Angst erfaßte ihn. Diese Gestalt strömte einen schrecklichen Modergeruch aus. Aber vielleicht kam er auch von der Decke, die sie um die Schultern gewickelt hatte. „Was machen Sie denn so spät noch hier?“ fragte er tapfer. „Hier in der Nähe gibt es ein Obdachlosenasyl für Frauen, die…“
    Sie kicherte und strich sich die grauen, schmutzigen Strähnen aus dem Gesicht.
    „Ein

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