Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
091 - Die Braut des Hexenmeisters

091 - Die Braut des Hexenmeisters

Titel: 091 - Die Braut des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Willow
Vom Netzwerk:
Obdachlosenasyl?“ meinte sie. „Zeit meines Lebens habe ich in herrlich weichen Betten geschlafen. Nur die letzten Tage auf der Pritsche in der Zelle waren unangenehm. Aber das ging rasch vorüber.“ Sie bewegte den Kopf hin und her und lächelte ihn an wie ein kokettes Weib. Jean wollte weitergehen, aber schon stand sie vor ihm und verstellte ihm den Weg.
    „So rasch kommst du mir nicht davon, Jean Dougnac“, murmelte sie. „Ich brauche etwas von dir. Ich brauche es ganz dringend. Du sollst es mir auch nicht umsonst geben.“ Wieder dieses kokette, abstoßende Lächeln. Jean erschauerte. Er hatte schon von diesen alten, verbrauchten Dirnen gehört, die manchmal sogar auf Friedhöfen ihrem Gewerbe nachgingen, um sich ein bißchen Geld für Absinth zu verdienen. Aber woher wußte sie seinen Namen? Das war unheimlich. Er mußte sie rasch loswerden und griff schon nach seiner Geldbörse, um sich mit ein paar Francs loszukaufen.
    „Gleich hier in der Nähe ist eine schöne Stelle. Lauter Moos und weiches Gras. Dort kannst du mich haben, wenn du mir deinen Kopf gibst“, flüsterte sie mit girrender Stimme.
    „Meinen Kopf?“ erwiderte Jean fassungslos.
    „Nicht deinen Kopf, Dummkopf“, sagte sie. „Den Kopf, den du in der Tüte unter dem Arm trägst.“
    Jetzt war seine Geduld zu Ende. „Geh mir aus dem Weg, alte Hexe“, fuhr er sie an.
    „Du verschmähst mich?“ antwortete sie zornig. „Mich, das schönste Freudenmädchen von Paris? Sieh her!“
    Sie schlug die vermoderte Decke auseinander. Er wollte schon angewidert die Augen schließen, doch dann sah er sie doch an. Ein makelloser nackter Körper stand vor ihm, mit vollen Brüsten, strotzend vor Sinnlichkeit. Das ist unmöglich, dachte er verwirrt. Ein junger Körper und ein alter Kopf mit zahnlosem Mund.
    „Sieh mich nur an“, keifte sie. „Begreifst du jetzt, was es bedeutet, mit einem alten Kopf herumzulaufen? Der hier ist nur geborgt. Du hast meinen richtigen Kopf aus dem Keller mitgenommen. Ich muß ihn wiederhaben, sonst kann ich nicht ruhig schlafen.“
    Jean wurde kreidebleich. Er stieß die „Alte“ beiseite und rannte zum Ausgang.
    Doch die Alte jagte hinter ihm her. So rasch er auch lief – sie blieb immer zwei Schritte hinter ihm. „Gib mir meinen Kopf!“ heulte sie. „Gib mir sofort meinen Kopf wieder.“
    Jean raste weiter, durch Gassen, die er gar nicht kannte, irgendwohin. Nur fort von dieser Spukgestalt!
    „Das sollst du mir büßen!“ gellte es hinter ihm.
    Vor ihm tauchte das Seineufer auf. Vielleicht wurde er sie los, wenn er ins Wasser sprang, dachte Jean mit jagenden Pulsen.
    Doch dann stolperte er über etwas. Ein paar Gerüststangen polterten zur Seite, Jean fiel kopfüber und landete zwischen dunklen Schachtwänden im Wasser. Ein Kanalisationsgraben, den der Regen halb mit Wasser gefüllt hatte.
    Und dann kam etwas über ihm ins Rutschen. Steine kollerten über seine Schulter, ein Brett legte sich auf seinen Rücken. Sand kam herunter, immer mehr Sand.
    Eine ungeheure Last drückte plötzlich auf seinen Rücken. Verzweifelt stemmte er sich mit den Armen ab, doch die Last auf seinem Körper drückte seinen Kopf unerbittlich tiefer, immer näher auf das Wasser zu.
    Vor ihm lag der Leichenkopf, den er beim Sturz verloren hatte. Erst jetzt sah er, daß der Kopf früher einmal einer jungen Frau gehört haben mußte. Trotz der blauen Verfärbung konnte man das noch erkennen. Der Kopf trank mit seinen halbentfleischten Lippen das Wasser und grinste ihn dabei verführerisch an.
    Jean keuchte in Todesangst. Das Wasser erreichte jetzt schon seine Lippen. Doch ehe der erste Schluck der lehmigen Brühe in seinem Hals gurgelte, verlor er das Bewußtsein.
     

     
    Als das Licht anging, saß Manon wie leblos da. Alles, was um sie herum vorging, drang nur verschwommen in ihr Bewußtsein. Ihr war, als hätte sie wieder einmal einen ihrer gräßlichen Alpträume erlebt. Sie hatte rasende Kopfschmerzen.
    Sie merkte nicht, daß Madame Robin nur mit Gewalt ihre Hand aus der ihren lösen konnte. Als sie nach rechts blickte, sagte Madame Brassen, die glutäugige Schönheit in dem roten Abendkleid, mit verklärten Augen zu ihr: „War das nicht wunderbar, Mademoiselle?“
    Manon blickte ihre Nachbarin verständnislos an. Drüben stand der hagere Monsieur Brasson und hörte mit verdrossenem Gesicht zu, während der kleine beleibte Korrespondent okkulter Blätter, Monsieur Carvin, mit lebhaften Gesten auf ihn einredete. Manon fing nur ein

Weitere Kostenlose Bücher