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0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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greifbare und formlose Dunkel, das sie umgab. Erst hatte sie gedacht, sie wäre einem Straßenräuber zum Opfer gefallen. Sie hatte sich gepackt gefühlt, irgendetwas hatte sie eindeutig von hinten in die Hofeinfahrt in der Rue Armand Moisant geschubst. Erschrocken hatte sie versucht, in ihrer Handtasche nach dem Pfefferspray zu kramen, doch es war, als hätten ihre Muskeln keine Kraft und gehorchten ihrem Willen nicht mehr. Eingepackt wie in dicke Wattelagen hatte sie sich gefühlt - ohne dass sie hätte sagen können, wann und wie man sie so plötzlich hatte einpacken können -, und keine Möglichkeit gehabt, sich zu rühren.
    Sie versuchte dennoch, gegen das würgende lichtlose Nichts, das sie umgab und ihr die Luft zum Atmen nahm, anzugehen. Nur nicht in der Angst, die sich in ihr breitmachte, versinken, diese Panik durfte nicht überhand nehmen!
    Aufgeregt versuchte Alphonsine, sich zu beruhigen.
    Sie dachte an den vergangenen Abend, an Pierres Vernissage im Musée Bourdelle zwischen all den antiken und klassischen Marmorstatuen, die elegante, heitere Atmosphäre, die vielen Lichter, die Schönheit, die sie umgeben hatte und daran, wie Pierre, der Fotograf, dessen Bilder ausgestellt waren, sich um sie bemüht hatte, obwohl sie ihn letztendlich hatte abblitzen lassen. Sie musste beim Gedanken an sein enttäuschtes Gesicht lächeln, als sie gesagt hatte, sie ginge jetzt allein zum Gare de Montparnasse und danke ihm für den schönen Abend.
    Das Lächeln bei dieser Erinnerung schien ihr das Atmen zu erleichtern. Einen Moment später spürte sie, dass die erstickende Dunkelheit ein wenig nachzulassen schien. Sie holte tief Luft und kämpfte gegen die dichten, spürbaren Schatten an. Doch kaum war ihr ihre schreckliche Lage erneut bewusst geworden, spürte sie, wie die Finsternis wieder ein wenig dichter wurde, noch ein winziges Stückchen dichter als gerade.
    Ein wenig nur. Gerade so, dass Alphonsine erneut glaubte, ersticken zu müssen, und doch keuchend wenigstens um ein bisschen Atemluft ringen konnte. Wieder machte sich Panik in ihr breit und jetzt konnte nicht einmal der Gedanke an Pierre Mouchotte und sein treues Schafsgesicht die greifbare Dunkelheit mehr verdrängen. Sie spürte, wie sich die Panik in ihr in einem Schrei Bahn zu brechen versuchte, doch im letzten Moment kam die Finsternis noch ein Stück näher. Ganz sanft, doch unerbittlich und gnadenlos schnürte sie Alphonsine noch ein winziges Stück enger die Kehle ein, sodass der befreiende Schrei in ihr blieb.
    »Was willst du?«, flüsterte Alphonsine in wilder Angst. War das ihre eigene Stimme? So heiser? Das Blut rauschte jetzt wegen des Sauerstoffmangels laut in ihren Ohren, sodass sie kaum ihre eigenen Worte hören konnte. Jeder Versuch, sich zu wehren, das Dunkel zu fassen, lief ins Leere. »Willst du… willst du, dass ich sterbe? Dann bring… bring mich… mich schon endlich… um!« Das Sprechen kostete unendlich viel Kraft und ließ Alphonsine jetzt vor Anstrengung beinahe zusammenbrechen.
    Nein , hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Für einen Moment glaubte sie, eine kühle Brise streiche über ihr Gesicht, zart wie Spinnweben. Du sollst nicht sterben. Du sollst Angst haben. Wer Angst vor dem Tod hat, will leben, und davon will ich mehr. Dein Lebenswille wird mich für meine Aufgabe stärken, ich kann nicht genug davon bekommen. Nein, du sollst nicht sterben. Ich will, dass du lebst und mich nährst. Und ich bin noch lange nicht satt.
    Wut stieg in Alphonsine hoch. Wie konnte dieser Jemand es wagen! Diese Wut verlieh ihr Kraft, doch die Finsternis schien diese Kraft zu spüren und sorgte durch leichten Druck auf ihre Luftröhre dafür, dass sie sofort wieder verschwand. Alphonsines Knie wurden weich, ihre Lungen taten weh, als sie nach einer Luft rang, die einfach nicht genug Sauerstoff zu enthalten schien. In ihrem Kopf lachte es leise. Gut machst du das. Hervorragend. Du kannst mir nicht entkommen, denn ich bin stärker als du und wir sind noch nicht fertig miteinander. Noch ein Weilchen. Du hast mir noch nicht genug gegeben. Willst du denn gar nicht leben?
    Alphonsine wollte aufstöhnen, doch der sanfte, aber dennoch unerbittliche Druck auf ihren Kehlkopf ließ das nicht zu, ja, er wurde bei diesen Worten noch ein wenig stärker, als wolle der Schatten sie damit provozieren.
    Tränen liefen Alphonsines Wangen hinunter. Ihr wurde klar, es gab keine Rettung gegen diese Finsternis. Keine! Sie war dieser wolkigen Dunkelheit hilflos

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