0935 - Aibons klagende Felsen
erstarren.
Svenja schwang herum. Auf ihrer hellen Haut zeichneten sich einige rote Flecken ab. Das Blut war auch gegen sie gespritzt, und es tropfte von der Klinge zu Boden.
»Das ist doch nicht wahr!« heulte Infana und warf seine Waffe weg, als wäre sie heiß.
Svenja lächelte nur. Sie sagte nichts. Sie brauchte nichts zu sagen, denn sie setzte ihre Gedanken augenblicklich in die Tat um. Nur kurz holte sie aus, ging dabei etwas in die Knie, federte aber wieder hoch, um Schwung und Kraft für den alles entscheidenden Schlag zu vereinen.
Sie führte die Waffe wie eine Könnerin von links nach rechts, und sie traf den Mann dort, wo sie ihn hatte treffen wollen. Mit einem Schlag trennte sie ihm den Kopf vom Rumpf. Dabei hatte sie die Klinge etwas schräg gehalten. Der Schädel des Mannes flog ein Stück vom Körper weg, prallte auf den Boden und rollte zu dem Loch im Deck, aus dem zwei Männer kletterten.
Er rollte ihnen genau vor die Füße!
***
Bill und ich hatten keine Zeit, entsetzt zu sein. Während Bill beim Hochklettern mit einem großen Schritt über den Kopf hinwegstieg, stoppte ich ihn mit der rechten Hand, so daß er liegenblieb, und trat einen großen Schritt nach vorn.
Joanna war noch dabei, den tödlichen Schwung der Waffe auszugleichen. Sie wollte das Schwert wieder in die Höhe wuchten und sah mich plötzlich vor sich, während Bill zur Seite gegangen war und seine Waffe gezogen hatte.
Wir starrten uns an.
Langsam senkte Joanna die blutbeschmierte Klinge. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Auf ihrer Stirn erschien eine Falte. Sie machte den Eindruck einer überraschten Person, und sicherlich überlegte sie, was sie mit uns anfangen sollte.
»Hallo, Joanna«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf nur ansatzweise. Überlegte weiter, hatte die Schwertspitze auf mich gerichtet und flüsterte: »Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Ihr seid nicht aus Aibon.«
»Nein, das sind wir nicht«, sagte Bill. »Wir kommen aus der normalen Welt. Dein Vater hat uns geschickt!«
»Was?«
»Ja, dein Vater!«
»Was soll das?«
»Er will dich zurückhaben, Joanna.«
Sie lachte schrill auf. Ging dann zurück und stieg über den Toten hinweg. »Mein Vater. Welcher Vater? Ich bin nicht mehr Joanna, und ich habe auch keinen Vater mehr.«
»Doch, er hat uns geschickt. Er hat den Entführern die geforderte Summe gezahlt. Er will seine Tochter zurück haben.«
»Ich habe ihm eine Nachricht geschickt.«
»Die kennen wir«, sagte Bill. »Aber dein Vater will sie nicht akzeptieren.«
»Das muß er aber!« brüllte sie. »Außerdem habe ich keinen Vater mehr, verdammt! Ich bin auch nicht Joanna, denn diese Zeiten sind vorbei. Ich bin jetzt Svenja, die Wikingerfrau. Versteht ihr? Ich gehöre nicht mehr zu meinem Vater. Ich gehöre nicht mehr in eure Welt. Ich habe mich anders entschieden. Ich habe mich hier auf dem Schiff gesehen. Ich bin damals schon auf diesem Boot gewesen, als es in den schrecklichen Orkan geriet. Aber nicht als Joanna, sondern als Svenja. Ja, als Svenja, die Frau des Anführers. Und ich bin ertrunken wie alle anderen. Nur ist meine Seele nicht hinein in die Felsen des Ufers geraten, um lange Qualen zu erleiden, sie war immer auf der Suche nach einem Körper, in dem sie sich heimisch fühlen konnte. Sie hat ihn gefunden, den Körper der Joanna. Und das Schicksal hat seinen Kreis geschlossen, in dem es mich herführte.«
»Nach Aibon?« fragte ich.
Mit keiner Regung gab sie zu erkennen, ob sie überrascht war oder nicht. »Ja, nach Aibon. Hier fühle ich mich wohl, hier werde ich mein Versteck finden, und wann immer ich will, werde ich in meine alte Welt zurückkehren.«
Ich hielt dagegen. »Das wird dir nicht gelingen, Joanna. Wen Aibon einmal integriert hat, der bleibt auch dort. Du wirst dich damit abfinden müssen, und ich weiß nicht mal, ob dich das Land der Druiden akzeptieren wird. Du hast eine Grenze überschritten. Das Schicksal hat dich tatsächlich hergeführt, und wahrscheinlich hast du auch deine alte Gestalt als Skelett gesehen, aber glaube nicht, daß du jetzt in der absoluten Sicherheit des Druidenlandes bist. Hier herrschen andere Regeln. Menschen werden kaum akzeptiert.«
Ich hatte sie nicht angelogen. Die Wahrheit war am besten, aber Joanna wollte sie nicht akzeptieren.
»Ich bin nicht mehr die Joanna, die ihr kennt. Vergeßt diesen Namen!« fauchte sie uns an. Dabei streckte sie ihren Körper. »Ich bin Svenja, die Wikingerfrau! Die Kämpferin, die gut genug war, um auf
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