0972 - Die Prinzessin von Atlantis
durchplätscherte, und eine sanfte Kühle streichelte ihre Haut.
Auf dem Schwert stützte sich Kara ab, als sie sich langsam drehte. Ihre Augen nahmen die hohen Steine wahr. Innerhalb des Gefüges verging das letzte Glühen. Die Kraft wurde nicht mehr gebraucht, sie glitt wieder zurück.
Dann hörte sie die Stimme des Eisernen. »Hast du sie gefunden, Kara? Was ist mit ihr?«
Die Schöne aus dem Totenreich enthielt sich einer Antwort. Zunächst einmal verließ sie den Kreis, noch immer angefüllt von den hinter ihr liegenden Eindrücken. Sie wußte schon, was sie antworten würde, und sie wußte auch, daß sie den Eisernen enttäuschen mußte.
»Ich habe sie gesehen«, erklärte sie.
»Und? Was…?«
»Nichts.« Kara hob die Schultern. »Es tut mir sehr leid. Ich habe nichts machen können. Sie saß auf einer Decke. Sie hat geschwiegen. Sie drehte mir den Rücken zu, und um sie herum war eine Schutzzone aufgebaut, die ich nicht durchbrechen konnte.«
Der Eiserne mußte mit dieser Botschaft erst fertig werden. Er schaute zu Boden. »Sie hat sich also gesperrt, nicht wahr?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Kara. »Es kann auch sein, daß sie abgesperrt wurde.«
»Von wem?«
»Von einer mächtigen Kraft, die nicht will, daß wir an sie herankommen. Aber wir wissen jetzt, daß es sie gibt. Und das muß uns zunächst einmal genügen.«
Der Eiserne Engel starrte Kara ins Gesicht. »Ja, das wissen wir. Aber ich will sie nicht dort lassen, verstehst du? Ich will wieder zu ihr, und das werde ich auch schaffen.«
»Sicher«, murmelte Kara. »Sicher, es wird nicht unser letzter Versuch sein, aber zuvor müssen wir herausfinden, in welcher Dimension sie existiert.«
Der Eiserne nickte. Dann blieb er mit gesenkten Kopf stehen. Wie jemand, der am Grab eines Angehörigen trauert…
***
Mitternacht war längst vorüber, als Shao aufstand. Es war ihr einfach unmöglich gewesen, im Bett zu bleiben. Die Gedanken drehten sich ausschließlich um die jüngere Vergangenheit, mit deren Geschehnissen sie nicht zurechtkam. Das Erscheinen der fremden Person auf dem Bildschirm ergab einfach keinen Sinn. Zumindest nicht für sie.
Für wen dann?
Eigentlich für die Person, die sich gezeigt hatte. Sie wollte eben, daß man sie sah, und sie wollte auch, daß sie von einer bestimmten Person gesehen wurde.
»Eben von mir«, murmelte Shao und betrat ihr kombiniertes Wohn-Arbeitszimmer. Sie blieb vor dem Computer stehen und sprach auch weiterhin zu sich selbst. »Warum wolltest du, daß ich dich sehe? Weshalb hast du dich mir gezeigt, obwohl ich dich nicht kenne. Aber du hast ausgesehen wie jemand, der eine Botschaft überbringt. Eine Botschaft von einer Unbekannten an eine Unbekannte.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn, wirklich nicht.« Sie überlegte weiter und sprach ihre Gedanken auch wieder aus. »Ich wohne nicht allein hier. Es lebt normalerweise ein Partner mit mir zusammen. Wahrscheinlich, war die Botschaft gar nicht für mich, sondern für Suko.«
Als sie zu dieser Schlußfolgerung gelangt war, huschte schon ein knappes Lächeln über ihre Lippen, das allerdings schnell wieder zerbrach, denn so kam sie auch nicht weiter. Suko war nicht da. Er tat seinen Job in Schottland. Stellte sich sofort wieder die Frage, was er mit der Frau zu tun hatte.
Kannte er sie?
Shao wußte es nicht. Sie zumindest hatte die Person zum erstenmal gesehen. War sie vielleicht jemand, den Suko aus früheren Jahren her kannte?
Durchaus möglich. Wenn es dann auch stimmte, warum hatte ihr Suko nie etwas von dieser unbekannten Person erzählt?
Shao wußte sich keinen Rat. Aber sie blieb bei der Meinung, daß diese Person gar nicht mit ihr in Kontakt hatte treten wollen, sondern einzig und allein ihren Partner gemeint hatte.
Was tun?
Sie schaltete den Computer ein. Auf dem Bildschirm erschienen die bunten Schmetterlinge, die mit trägen und langsamen Bewegungen ihre Bahnen zogen. Ein anderes Bild war nicht zu sehen.
Shao nahm eine Diskette aus dem Ständer und schob sie ein. Sie enthielt eine Anzahl von Namen und Adressen, die Shao in mühevoller Arbeit gesammelt hatte. Besonders aufgeführt waren dabei Sukos zahlreiche »Verwandte«, also einige der Chinesen, die in London lebten.
Sie hob nur die Schultern. Es war Unsinn, was sie da tat, deshalb schaltete Shao den Apparat ab. Sie ging davon aus, daß nicht sie etwas von ihm wollte, sondern er von ihr.
Aber sie kam nicht zurecht.. Es war zuviel. Sie mußte einfach mit einem
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