Brunetti 14 - Blutige Steine
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Z wei Männer traten durch den hölzernen Torbogen hinaus auf den festlich geschmückten Campo Santo Stefano, wo die farbigen Lichterketten über ihren Köpfen sie in buntscheckige Harlekine verwandelten. In den hell erleuchteten Buden auf dem Weihnachtsmarkt lockten Händler und Erzeuger verschiedener italienischer Provinzen mit ihren Spezialitäten: papierdünnes Brot und Käse mit tiefdunkler Rinde aus Sardinien, Oliven in unterschiedlichen Formen und Farben aus allen Regionen des Landes; Öl und Käse aus der Toskana; Salami in jeder Länge, jeder Dicke und mit allen nur erdenklichen Zutaten aus der Reggio Emilia. Hin und wieder stimmte einer der Verkäufer ein Loblied auf seine Delikatessen an: »Signori, kosten Sie diesen Käse, und ich garantiere Ihnen einen Vorgeschmack aufs Paradies.« - »Es ist spät, Herrschaften, und ich möchte endlich heim zum Abendessen: Also neun Euro das Kilo, so lange der Vorrat reicht.« - »Probieren Sie diesen Pecorino, Signori, einen besseren finden Sie nirgends!«
Die beiden Männer schoben sich durch die Budengasse, doch sie hatten kein Ohr für die Schmeicheleien der Händler, keinen Blick für die Salamipyramiden, die sich rechts und links auf den Tresen türmten. Die wenigen Käufer, die trotz der Kälte so kurz vor Ladenschluß noch unterwegs waren, erstanden Dinge, von denen jeder argwöhnte, bei sich im Viertel hätte er sie preiswerter und noch dazu in besserer Qualität bekommen. Andererseits: Was wäre wohl stimmungsvoller als so ein Einkaufsbummel an einem verkaufsoffenen Adventssonntag; und gab es einen besseren Beweis für die eigene Unabhängigkeit und Individualität als den, sich etwas zu gönnen, das man gar nicht brauchte?
Am anderen Ende des campo, hinter der letzten Holzbude, machten die Männer halt. Der Größere sah auf seine Uhr, obwohl beide sich eben erst anhand der Kirchturmuhr versichert hatten, wie spät es war. Der offizielle Ladenschluß um halb acht war bereits um mehr als eine Viertelstunde überschritten, aber es würde sich wohl kaum ein Ordnungshüter dieser Kälte aussetzen, nur um zu kontrollieren, ob die Stände auch pünktlich zumachten. »Allora?« fragte der Kleinere und sah zu seinem Begleiter auf.
Dieser streifte die Handschuhe ab, stopfte sie zusammengerollt in die Manteltaschen und schob die Hände hinterher. Der andere folgte seinem Beispiel. Beide Männer trugen Kopfbedeckungen, der große einen dunkelgrauen Borsalino, der kleine eine Pelzmütze mit Ohrenklappen. Beide hatten Wollschals um den Hals geschlungen, die sie im Lichtkegel des letzten Standes noch höher zogen, bis zu den Ohren hinauf: nichts Ungewöhnliches, wenn einem vom Canal Grande, gleich hinter San Vidal, ein scharfer Wind entgegenblies.
Der Wind zwang sie auch, die Köpfe zu senken, als sie mit hochgezogenen Schultern, die Hände in den warmen Taschen, voranschritten. Zwanzig Meter hinter dem letzten Stand hatte sich zu beiden Seiten des Platzes eine Gruppe hochgewachsener Afrikaner eingefunden, die Decken oder Tücher auf dem Boden ausbreiteten und sie an den Ecken mit je einer Damenhandtasche beschwerten. Sobald die Unterlage dergestalt verankert war, kamen aus riesigen, wurstförmigen Beuteln, die ringsum am Boden standen, stapelweise Modelltaschen unterschiedlicher Form und Größe zum Vorschein.
Hier eine Prada, dort eine Gucci, dazwischen eine Louis Vuitton: Die Marken waren so zahlreich vertreten wie sonst nur in jenen exklusiven Läden, die es sich leisten können, alle namhaften Designer zu führen. Flink und mit einer durch lange Übung geschulten Behendigkeit bückten sich die Männer oder gingen in die Hocke, um ihre Waren auf den Tüchern zu verteilen. Manche gruppierten sie zu lauter Dreiecken; andere bevorzugten eine Präsentation in Reih und Glied. Einer hatte den wunderlichen Einfall, seine Taschen im Kreis anzuordnen, doch als er zurücktrat, um das Ergebnis zu begutachten, und sah, daß eine übergroße dunkelbraune Schultertasche von Prada die Symmetrie durchbrach, wurde aus dem Kreis in Windeseile ein Spalier, dem die Prada in der linken oberen Ecke als Stütze diente.
Zwischendurch plauderten die Männer miteinander und tauschten sich über Dinge aus, die halt so zur Sprache kommen, wenn Kollegen sich während einer Schicht die Zeit vertreiben: daß einer die Nacht zuvor schlecht geschlafen hatte, wie bitterkalt es war, daß ein anderer darum bangte, ob sein Sohn die Aufnahmeprüfung für die Privatschule bestehen würde, wie sehr
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