0973 - Der verhexte Blutwald
Ärzten über Ihre Entlassung sprechen können?«
Greta wartete mit der Antwort und atmete tief aus. »Nein, noch nicht so direkt. Ich hoffe, daß ich dieses Bett nicht mehr zu lange hüten muß. In zwei, drei Wochen möchte ich wieder daheim sein.«
»In Irland?«
»Ja.«
»Und auch in Ihrem Wald.«
Ihr Blick bekam einen schwärmerischen Glanz. »Ja, in meinem kleinen Haus im Wald. Sie sind gut, John.«
»Wieso?«
»Daß Sie das noch alles behalten haben.«
»Kein Wunder, denn ich habe unsere erste Begegnung in der Schalterhalle sehr intensiv erlebt. Da vergißt man nicht so leicht, was einem gesagt wird.«
»Toll gesagt.« Ihre Hand näherte sich meinen Händen, die auf den Knien lagen. »Sie tragen keinen Ring. Sind Sie nicht verheiratet?«
»So ist es.«
»Sollen Polizisten überhaupt heiraten?«
Jetzt war ich mit einem Lachen als Antwort an der Reihe. »Das Kompliment gebe ich gern zurück, Greta. Sie haben wirklich sehr viel behalten, meine ich.«
»Auch in mir ist die Begegnung haften geblieben. Mir hat es gefallen, mit Ihnen zu plaudern. Ich bin sonst nicht so gesprächig, aber an diesem Tag…«
»War es warm. Es schien die Sonne. Die Menschen waren heiter und auf ihre Umgebung fixiert. Da bleibt dann schon mehr haften, als es normalerweise der Fall ist.«
»Und dann kam dieser Bankräuber. Er zerstörte alles.«
»Leider.«
»Ich habe gehört, daß er tot ist«, sagte Greta mit tonloser Stimme.
»Richtig. Er wurde erschossen.«
»Die Strafe«, flüsterte sie. »Die gerechte Strafe für das, was er mir angetan hat.« Ihre Hand lag noch immer auf der meinen. Ich spürte, wie sich ihre Finger bewegten und sich dabei krümmten, als wollte sie die Nägel in mein Fleisch drücken wie die Katze ihre Krallen. Ich war ein wenig irritiert. Nicht nur über ihre Handlung, sondern auch wegen der Worte. Sie hatte sie mit einer wahren Inbrunst ausgesprochen. Der Haß darin war nicht zu überhören gewesen.
Ich meinte den Bankräuber, als ich sagte: »Der Mann war krank. Er war süchtig. Er besaß kein Geld, um sich Stoff zu kaufen. Man hat ihn süchtig gemacht. Eigentlich hätten wir auch seine Hintermänner an den Pranger stellen müssen.«
»Trotzdem war er es.« In ihrem Blick lag eine gewisse Schärfe.
»Versuchen Sie doch nicht, ihn zu verteidigen, John. Dieser Hundesohn hat es nicht anders verdient.«
»Okay, schon gut.« Ich wollte nicht näher auf das Thema eingehen, aber Greta Kinny ließ mir keine Ruhe. Zwar zog sie ihre Hand von der meinen weg, preßte auch für einen Moment die Lippen zusammen, dann aber brach es aus ihr hervor. »Er hat mein Leben zerstört, John. Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war.«
»Das ist möglich. Vielleicht werden Sie sich, wie viele Opfer eines Verbrechens, in psychiatrische Behandlung gegeben müssen. Aber auch das läßt sich verkraften.«
Hätte das Kissen sie nicht abgestützt, ihr Kopfschütteln wäre heftiger ausgefallen. »Nein, nein, da haben Sie unrecht. So ist das nicht. So ist das überhaupt nicht.«
»Was meinen Sie dann?«
Sie schaute mich direkt an. »Glauben Sie mir, John, er hat mein Leben zerstört. Ich werde mich nie mehr, hören Sie, nie mehr so bewegen können wie früher - wie andere!«
Allmählich begriff ich und konnte auch ihre Wut verstehen. Mir fiel ein, daß eine Kugel ihren Rücken getroffen, was der Arzt als sehr bedenklich eingestuft hatte. Das konnte eine Lähmung bedeuten. Mir schoß das Blut in den Kopf.
Als hätte Greta Kinny meine Gedanken erraten, deutete sie ein Nicken an. »Ja, so ist es, John. Der Rücken, meine Bewegungen…«
»Sind Sie gelähmt?«
»Wahrscheinlich.«
»Was heißt das? Werden Sie den Rest des Lebens im Rollstuhl verbringen müssen?«
Greta Kinny preßte die Lippen zusammen. Nach einer Weile des Nachdenkens meinte sie: »Ich kann es Ihnen nicht genau sagen, weil sich die Ärzte mit ihren Aussagen zurückhalten. Sie sind wohl zu feige, mich mit der Wahrheit zu konfrontieren, aber es deutet einiges darauf hin, wie ich gewissen Andeutungen entnehmen kann.«
»Das heißt, Sie können nicht aufstehen.«
»Ja.«
»Ich müßte sie also aus dem Bett tragen?«
»Richtig, John.«
Ich schwieg und holte nur durch die Nase Luft. Was Sie mir da gesagt hatte, konnte mir nicht gefallen. Verdammt, dieses Schicksal hatte sie nicht verdient. Jetzt verstand ich ihren Haß auf den Bankräuber. Zu wissen, den Rest des Lebens im Rollstuhl verbringen zu müssen, war einfach furchtbar.
»Warum sagen Sie
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